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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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und das Geld reicht wohl auch hinten und vorne nicht.»
    «Einen Kampf?» Trévigny sah ihn erstaunt an. «Die Provence war doch seit ewigen Zeiten nicht mehr in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt.»
    59
    «Die Kaiserlichen sind mal hier durchgezogen, vor dreißig Jahren oder so… aber das hier ist, so weit ich weiß, erst später passiert», erklärte Fabiou. «Ein Kampf zwischen Katholiken und Protestanten. Früher hat es viele Protestanten in dieser Gegend gegeben.»
    «Die Katholiken haben gewonnen, nehme ich an», mutmaßte Trévigny.
    «Ja. Klar.» Fabiou hatte eigentlich keine Lust, noch länger mit Trévigny zu diskutieren, weder über La Costo noch über sonst etwas.
    «Und die Protestanten?», fragte der Comte.
    «Himmel, ich weiß nicht so genau, ich war damals noch ein Säugling… ich glaube, die meisten haben sie vertrieben. Ein paar sind, so weit ich weiß, auf dem Scheiterhaufen gelandet.» Fabiou zuckte mit den Achseln.
    Trévigny seufzte. «Meine Güte, hier sieht’s ja echt aus wie nach dem Völkersturm!»
    Von hinten näherte sich jetzt die Kutsche. Trévigny trieb sein Pferd an und lenkte es die Straße hinunter, die an La Costo vorbeiführte. Zu beiden Seiten arbeiteten Bauern auf den Feldern; sie hielten in ihrer Arbeit inne und betrachteten die Reisenden mit misstrauischen Blicken. La Costo zur Linken erschien wie ausgestorben, eine Geisterstadt, dunkle Fensteröffnungen wie glotzende Augen, und auch über den Feldern ringsumher lastete eine eigentümliche Stille, und auf den Bäumen saßen große, dunkle Krähen, die die Ankommenden aus kleinen schwarzen Augen beobachteten.
    «Gott im Himmel, das ist ja richtig unheimlich hier!» Sébastien de Trévigny ließ ein lautes, angstverscheuchendes Lachen hören. Es hallte seltsam von den Felsen zur Linken wieder. Cristino streckte den Kopf aus dem Fenster. «Ich mag dieses La Costo nicht», sagte sie. «Es ist so düster und still hier, und die Leute sind so komisch.»
    «Na, da habt Ihr recht», stellte Trévigny fest.
    «Man hat fast das Gefühl», sagte Cristino mit unheilschwangerer Stimme, die den Comte wohl beeindrucken sollte, «über diesem Dorf hier liegt der Schatten des…»
    Todes, wollte sie sagen, aber sie sagte es nie.
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    Sie saß auf dem Rand des Kutschbocks, ihr Aug in Aug gegenüber, ihre schwarzen Knopfaugen gebohrt in die blauen Cristinos. Verschwinde, wollte Cristino rufen, hau ab, nach ihr schlagen, treten, irgendetwas, wenigstens den Kopf wieder einziehen, doch stattdessen saß sie nur reglos auf der Bank und starrte in die schwarzen Knopfaugen, die glänzten und schillerten, als bärgen sie ein Geheimnis finsterer als die Nacht.
    Weiche von mir, Satanas, und erlöse uns von dem Bösen, ave Maria du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes Jesu und führe uns nicht in Versuchung sondern erlöse uns von dem Bösen erlöse uns von dem Bösen erlöse uns…
    Krah, machte die Krähe, breitete die Flügel aus und flog davon. Cristino lag in den Kissen, die nassgeschwitzt waren vor Angst.
    «Ist etwas?», fragte Catarino.
    «Eine… Krähe… da war eine… Krähe…»
    « Ma mie , deine Angst vor Krähen ist wirklich un peu exageré !», sagte Catarino kopfschüttelnd.
    «Ihr habt so sehr Angst vor Krähen?» Das war der Comte wieder.
    «Es sind Totenvögel», murmelte Cristino. «Sie bringen Unglück.»
    «Das ist doch Aberglaube!» Fabiou schüttelte ärgerlich den Kopf.
    «Also, ich finde Krähen ja auch ekelhaft», verkündete Catarino.
    «Sich vorzustellen, dass so ein Vieh gerade seinen Schnabel in vermoderndes Aas geschlagen hat, iiiiihhhh!»
    «Wenn einer tot ist und nicht begraben wird, dann picken die ihm die Augen aus, stimmt’s?», rief Frederi Jùli aufgeregt.
    «Frederi, benimm dich! Was soll Monsieur le Comte von dir denken!» Die Dame schüttelte missbilligend den Kopf. Cristino starrte ins Leere. Das Bild, das in ihren morgendlichen Trauerfantasien aufgetaucht war, ging ihr nicht aus dem Kopf, sie selbst im Wasser, sie selbst angespült am Ufer, liegend im Gras, das blonde Haar ausgebreitet um ihren Kopf, und die Krähe, die Krähe, die auf ihrem Kopf landete, den Schnabel öffnete…
    «Ein junges Mädchen wie Ihr, in der Blüte seiner Jugend, sollte sich keine Gedanken über den Tod machen», meinte der Comte de Trévigny. «So etwas sollte man wirklich den Greisen überlassen!»
    61
    Cristino wurde wieder rot. Sie war heilfroh, dass Trévigny nicht ahnte, wie

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