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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Baroun mit Vergnügen die Eier abschneiden würden für seine Heldentat von ‘45, nicht war, Frederi?»
    Die Dame Castelblanc wedelte schockiert mit ihrem Pfauenmusterfächer, und der Cavalié murmelte etwas, was ein bisschen nach Abwehr-des-Irrglaubens klang. Buous brüllte: «Komm mir nicht mit dem Blödsinn, Maynier sei ein guter Katholik! Einen Dreck!
    Dem Kerl ging’s doch nur darum, sich und seiner Verwandtschaft die Ländereien dieser bedauernswerten Käffer zuzuschanzen. Erst hat er es versucht, indem er sich an die Cental ‘rangemacht hat, und als die Barouno ihm einen Korb gegeben hat, wurde eben mal kurz der halbe Luberoun zu Ketzern erklärt und die Frage auf diese Weise gelöst!»
    Fabiou hatte seine Ohren gespitzt; über 1545 wurde nur selten geredet, so dass seine Kenntnisse über diese Zeit mehr als lückenhaft waren. Alles, was er wusste, war, dass damals irgendwelche Ketzer sich gegen die katholische Kirche erhoben hatten, was zu einem regelrechten Krieg geführt hatte. Doch zu seiner Enttäuschung driftete das Gespräch nun in eine völlig andere Richtung, und als Frederi Jùli fragte, wer sind denn die Waldenser, Mama?, antwortete die Dame Castelblanc nur, das waren Ketzer, jetzt iss weiter.
    Der Cavalié de Castelblanc starrte auf seinen Teller. Er war kreidebleich im Gesicht. Nach dem Essen brachen sie auf. Die Barouno lud die Dame Castelblanc und ihre beiden «reizenden Töchter» ein, bei ihr in der Kutsche mitzufahren, so dass Frederi und Maria Anno die andere Kutsche zu ihrer Begeisterung quasi für sich alleine hatten, von der 66
    Kinderfrau einmal abgesehen. Der Zug setzte sich in Bewegung. Die Stimmung unter den Dienstboten war noch besser. Die kleine Marietta, die eine wunderschöne Stimme hatte, begann zu singen, ein bekanntes Volkslied, und einige der anderen fielen mit ein: Aquelho mountanho que tan auto soun
    m’empachon de veire mis amours ount soun.
    Auto soun, ben auto, mai s’abaissaran,
    et mis amouretto vers ieu reviendran.
    Que cante y recante, canto pas per ieu, canto per ma migo qu’es proche de ieu.
    «Welch schöne Stimme sie hat, diese – wie heißt sie? Marietta?», sagte die Barouno de Buous anerkennend. «Claudia, meine Tochter, hat auch eine schöne Stimme. Willst du uns nicht etwas singen, Claudia?», und Claudia warf sich in Positur und schmetterte: Certes mon œil fut trop adventureux
    de regarder une chose si belle,
    une vertu digne d’une immortelle,
    et dont amour est mesme amoureux.
    Sicher war mein Auge zu wagemutig,
    etwas so Schönes zu betrachten,
    eine Tugend würdig einer Unsterblichen
    in die die Liebe selbst verliebt.
    «Das ist Ronsard, Mama», seufzte Cristino.
    So näherte man sich der Coumbo.
    67

    Kapitel 2
    in dem Arnac de Couvencour in Cristinos Leben tritt, um bald wieder daraus zu verschwinden
    Deus vetuit occidi quenquam,
    et nos tam facile occidimus
    ob ademptam pecuniolam.
    Gott hat verboten, jemanden zu töten,
    und wir töten so einfach
    wegen eines bisschen entwendeten Geldes.
    Thomas More, englischer Philosoph und Politiker (*1477, hingerichtet 1535), Utopia
    69
    Im Schlaf kam die Krähe.
    Da ist wieder das Bild, die Tote, blondes Haar auf weichem Waldboden, weiß das Gesicht, halb geöffnet die blauen Augen. Sie liegt dort, auf dem Boden, der grau durch den Nebel schimmert, und Cristino stellt verwundert fest, dass sie auf die Tote hinabschaut, was erstaunlich ist, schließlich ist sie selbst die Tote, es ist als habe die Seele den Körper verlassen und blicke nun hinab auf ihr ehemaliges Kleid. Die Krähe kommt. Sie schwebt herab, ihre Klauen sind ausgefahren, sie landet auf der Brust der Toten. Cristino erwartet eine Bewegung, ein Zucken der Lider, eine Reaktion des Körpers auf die Klauen, die sich in seine Haut graben, doch nein, still liegt der Körper, still blicken die blauen Augen in die Unendlichkeit der Dämmerung, und die Krähe nähert sich dem Kopf, pickt nach den Augen…
    Jemand kommt. Ein Pferd mit einem Reiter tritt hervor aus der Faust des Nebels und hält inne am Rande der Lichtung. Kraah, macht die Krähe.
    Der Reiter wendet seinen Kopf, sein Gesicht kehrt sich ihr zu. Er ist ein Mädchen, klein, schmal, leichenweiß, schwarze glatte Haare, die ihm offen über die Schultern fallen. Seine Hand umschließt ein Lederhandschuh.

Kraah, macht die Krähe.
    Und die Hand des Mädchens zuckt vor, und da schießt die Krähe herbei, die Flügel ausgebreitet, die Füße gestreckt…
    Es ist keine Krähe. Es ist ein

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