Die Kinder des Ketzers
strapazierfähige Reisekleider. Irgendwo sind es Bauern, murmelte die Dame Castelblanc ihren Töchtern zu, auch wenn sie einer alten Adelsfamilie entstammen und einen Barounstitel tragen. Die Barouno forderte die Reisegenossen erst einmal auf, sie auf einen kleinen Imbiss in die Dorfschenke zu begleiten, eine Einladung, der man gerne nachkam, schon um sich etwas die Beine zu vertreten. Der Wirt des kleinen Rasthauses am Rande der Straße war offensichtlich gewarnt gewesen, denn in der kleinen und ausgesprochen einfachen Wirtsstube war bereits ein Tisch gedeckt, und zwei Mädchen waren schon damit beschäftigt, Fleisch, Käse, Brot und Wein aufzutragen. Der Wirt bat die hohen Gäste mit tausend Bücklingen nach drinnen und versicherte ihnen, dass es ihr Schaden nicht sein solle, sogar König François, Gott hab ihn selig, sei hier eingekehrt, und er sei sehr zufrieden gewesen. Die Dame Castelblanc blickte zwar etwas indigniert auf die Teller, die aus Holz waren statt aus Silber, und Tonbecher statt Gläser, aber der Baroun ging mit gutem Beispiel voran und langte kräftig zu, und die anderen hatten auch genug Appetit, um es sich trotz der einfachen Umgebung schmecken zu lassen. Das Gesinde und die Waffenknechte nahmen an gesonderten Tischen Platz, von denen ziemlich schnell lautes Lachen und Gerede zu den Herrschaften herüberdrang.
Der Baroun war ein gesprächiger Mann. «Kinder, wo habt ihr Bèuforts nur die roten Haare her, nicht wahr, Agueto, wie ein irisches Fischweib!», rief er und lachte dröhnend. «Und die dritte dafür so blond, dass sie als habsburgische Prinzessin durchgehen könnte.» Cristino lächelte geschmeichelt über diese Anspielung, während ihre Zwillingsschwester ein säuerliches Gesicht machte, der Vergleich mit einem irischen Fischweib schien ihr nicht ganz so angemessen.
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«Die Kermanachs stammen ursprünglich aus der Bretagne», erklärte Fabiou, «bei uns in der Familie gibt es viele mit blonden oder roten Haaren. Mein Vater hatte auch rote Haare.»
«Aus der Bretagne. Witzig, findest du nicht, Agueto?» Die Barouno nickte eifrig, im Gegensatz zu dem, was sich für Edelfrauen schickt, nahm sie an allen Unterhaltungen der Männer regen Anteil, sogar an den politischen, wie die Dame Castelblanc missbilligend registrierte, wenn sich ihre Kommentare meist auch auf beifällige Ausrufe wie Jawohl und Hörthört beschränkten. «Ich war mal in der Bretagne», fuhr der Buous fort, «die Leute da haben eine Sprache, da verstehst du kein Wort. Aber eine stolze, mutige Rasse, von der ihr da abstammt, mein Junge.»
«Wir sollten vielleicht lieber französisch sprechen», warf die Dame Castelblanc in eben dieser Sprache ein, «schließlich haben wir einen Gast!» Sie sah vielsagend zum Comte de Trévigny hinüber.
«Ach, französisch, alles muss heutzutage französisch sein, das ist mir zu blöd», sagte der Baroun. «Was will der Franzmann hier eigentlich?»
«Der Comte ist so freundlich, unseren Geleitschutz auf dem Weg durch die Schlucht zu verstärken», erklärte die Dame eisig.
«Verstärken?» Der Baroun warf einen Blick zu seinen bis an die Zähne bewaffneten Knechten hinüber, die gerade grölend mit ihren Weinbechern anstießen. «Na ja, wird uns eine große Hilfe sein, das Jüngelchen.»
«Ach, ich denke nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen», meinte der ältere Buous-Sohn, «es gibt doch kaum noch Räuber hier in der Gegend, der Baroun d’Oppède hat da doch ganz ordentlich aufgeräumt.»
«Ja, im Aufräumen ist Maynier groß», schnaubte der Baroun de Buous. «Wo der aufräumt, wächst zwanzig Jahre lang kein Gras mehr, ich sage nur La Costo und Merindou und Lourmarin. Scheißkerl, elendiger.»
«Ihr solltet nicht so von ihm sprechen, schließlich ist er Gerichtspräsident!», erklärte die Dame Castelblanc pikiert. 65
«Meine Dame, ich denke nicht, dass Ihr bei diesem Thema mitreden könnt, schließlich habt Ihr damals noch nicht in dieser Gegend gelebt.» Der Baroun de Buous hatte seine Hände um den tönernen Becher gekrampft, als ob er ihn zerquetschen wollte. Dass er dazu in der Lage war, bezweifelte keiner. «Es waren ja nicht nur die Waldenser. Jeder, der hier in der Gegend lebte, wurde in Mitleidenschaft gezogen, brave Katholiken, sogar Edelleute sind seinem wildgewordenen Söldnertrupp zum Opfer gefallen. Wir standen vor dem Nichts, nachdem Freund Oppède sich ausgetobt hatte, vor dem Nichts, meine Dame. Hier im Luberoun findet Ihr so einige, die dem Herrn
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