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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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aus wie ein Apfel, so rot», kicherte Frederi Jùli, und «Abbel, Miana Abbel», rief Maria Anno und winkte mit beiden Armen.
    «Immerhin ist er ein Graf», murmelte die Dame Castelblanc ihrem Gatten zu, der am Fenster vorbeiritt, «und ein Franzose obendrein. Das ist eine occasion , Frederi.»
    « Occasion , petit , t merveilleux … spricht eigentlich irgendwer in dieser Familie noch ein vernünftiges Provenzalisch?», schimpfte der Cavalié.
    Cristino beachtete die anderen nicht. Sie schwebte.
    ***
    Sie kamen gut voran. Nach ungefähr einer halben Stunde erreichten sie Menerbo, noch Besitz des Baroun d’Oppède, eine kleine Ansammlung niedriger lehmfarbener Häuser, die wie eine Glucke auf 55
    einem kleinen Hügel hockten, in ihrer Mitte ein kleines Kirchlein.
    «Gut katholisch Menerbo» pflegte man hierzulande zu sagen, ohne dass irgendjemand so recht zu wissen schien, warum. Die jungen Leute diskutierten eine Weile mit dem Comte de Trévigny über diesen Umstand. Catarino meinte, es läge wohl daran, dass die Dörfler von Menerbo eben alle gut katholisch seien, was Fabiou zu dem Kommentar veranlasste, das sei eine typisch weibliche Bemerkung: absolut dämlich. Catarino war kurz davor, ihre gute Erziehung zu vergessen und Fabiou ihren Schuh ins Gesicht zu pfeffern, doch der Comte griff edelmütig ein und wies Fabiou darauf hin, dass man so nicht von Damen sprechen dürfe.
    «Wenn eine These einen Umstand impliziert, dann kann man diesen Umstand nicht zum Beweis der These verwenden, das widerspricht doch sämtlichen Grundsätzen der Dialektik», nörgelte Fabiou.
    Der Comte lachte. «Es ist wohl kaum möglich, die Rede einer Dame an den Maßstäben der Dialektik zu messen», meinte er. «Es ist doch wohl klar, dass eine Dame nicht die dazu nötigen geistigen Fähigkeiten haben kann. Das ist als ob… als ob man eine Dame zu einem Degenduell herausfordern würde!»
    «Dafür kannst du nicht tanzen, Fabiou», sagte Catarino, um dem Comte de Trévigny im selben Atemzug zu versichern, was für eine leidenschaftliche Tänzerin sie sei, und Cristino beeilte sich, anzufügen, dass auch sie énormément gerne tanze und sowohl die traditionellen als auch die Modetänze beherrsche.
    «Tanzen! Albernes Gehopse! Was ist das schon gegen die Macht der Logik, die Erhabenheit der Wissenschaft und die Schönheit der Poesie!», meinte Fabiou.
    «Redet Euer Bruder eigentlich immer so geschraubt?», fragte der Comte Cristino, indem er sich zu ihr in die Kutsche beugte. Sie wurde wieder rot, eher feuer-als apfelrot, und brachte vor Aufregung mal wieder kein französisches Wort heraus.
    «Fabiou ist ein Gelehrter, ein Gelehrter und ein Poet», mischte sich die Dame Castelblanc ein. «Das hat er von seinem Vater. Mein erster Mann – Gott hab ihn selig – hat studiert, in Aix, die Jurisprudenz. Aber er war auch ein Dichter. Er hat Sonette geschrieben… auf Italienisch sogar… ach, ich schmolz dahin…»
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    «Euer Mann fiel im Krieg?», fragte der Comte mitfühlend.
    «Nein, nicht im Krieg. Ein Fieber. Die Kinder waren damals noch klein, die Zwillinge drei Jahre, Fabiou zwei Jahre alt… auch die Kinder bekamen das Fieber, aber Gott hatte Erbarmen und ließ
    sie mir. Doch mein Cristou…» Die Dame Castelblanc zückte ein Tüchlein und tupfte sich verstohlen die Augen ab.
    «Das muss eine schwere Zeit für Euch gewesen sein», meinte der Comte.
    «Oh ja, oh ja, die heilige Maria Mutter Gottes weiß, wie ich gelitten habe… Aber in Frederi de Castelblanc habe ich wieder einen guten Mann gefunden, und Gott hat mich gesegnet, dass ich auch ihm zwei Kinder schenken konnte…»
    «Wie ist das jetzt mit diesem Menerbo – was ist so katholisch daran?», wollte der Comte wissen.
    «Fromme Leute eben, fromme Leute», meinte die Dame Castelblanc, und der Comte erklärte, dass man sich glücklich schätzen konnte, dass die protestantische Pest, die das deutsche Reich unterminiert habe, in Frankreich noch nicht derart grassierte. Dieser deutsche Mönch, Luther oder wie er heißt, der hat mit seinen Schriften ganz Europa durcheinandergebracht, aber eigentlich können wir uns ja glücklich schätzen, eigentlich hat er uns damit ja einen Gefallen getan, der Kaiser hat jetzt die Protestanten mit in der Regierung sitzen und ist dadurch quasi handlungsunfähig. Das ist Frankreichs Chance, die Vorherrschaft in Europa zu erreichen. Die Dame gähnte, sie interessierte sich nicht für Politik, und auch die Mädchen hatten keine Lust, das Gespräch in

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