Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
dieser Richtung fortzusetzen. Erzählt uns von Paris, baten sie, was trägt man gerade, und was hört man für Musik, und was für neue Tänze gibt es?«Nun,wasMusikbetrifft–Ronsardnatürlich»,sagtederComte de Trévigny. «Es gibt seit einiger Zeit jetzt auch eine Vertonung der Nouvels Amours , von einem gewissen Goudimel, er soll zwar ein Protestant sein, aber komponieren kann er, haha.»
    « Incroyable !» Cristino hatte Augen wie Wagenräder. Sie liebte Ronsard und seine Lieder bis zum Wahnsinn.
    «Ronsard, immer Ronsard, zu meiner Zeit, da hat man Petrarca gehört und gesungen, edelste italienische Liebeslyrik, Gott, wenn 57
    ich mich erinnere, mein Cristou, wie er vor meinem Fenster saß
    und diese Sonette sang, ich höre ihn noch wie heute… aber heutzutage interessiert sich ja kein Mensch mehr für die Italiener, alles muss Französisch sein, und neu. Als ob man die Liebe auf Französisch so kunstvoll besingen könnte wie in italienischer Sprache, in der Sprache der Dichter!» Die Dame Castelblanc hatte feuchte Augen.
    «Mama, Petrarca ist seit über hundert Jahren tot, und Ronsard lebt noch», bemerkte Catarino, die aggressiv auf Sätze reagierte, die mit heutzutage begannen.
    «Trotzdem, das ist eine Verflachung der Kunst!», jammerte die Dame. «Man schreibt Gedichte auf französisch, und was ist die Folge? Jeder Bauer kann sie nachplappern und sich einbilden, sie zu verstehen. Wo ist da noch das Hohe, das Erhabene der Lyrik?»
    «Die provenzalischen Bauern wohl kaum», meinte Trévigny lachend, der in den vergangenen Tagen erheblich mit Verständigungsproblemen hatte kämpfen müssen. «Es wird Zeit, dass in diesem Land endlich alle französisch sprechen, wie wollen wir sonst je eine Großmacht werden, die dem Kaiserreich die Stirn bieten kann?»
    «Ich mag das Provenzalische», warf Fabiou ein. «Am liebsten würde ich Gedichte auf provenzalisch schreiben.»
    Die Dame jammerte, das wäre ja noch schöner.
    «Euer Bruder ist echt etwas seltsam», flüsterte Trévigny Cristino zu, wobei er sich so weit in die Kutsche beugte, dass die Krempe seines Federhutes sacht ihr Haar berührte.
    «Ja, er ist schon eigenartig», bestätigte Cristino. «Manchmal ist es mir fast peinlich mit ihm.»
    «Ihr sprecht ein ausgezeichnetes Französisch», flüsterte der Comte ihr zu, «fast ohne Akzent, Ihr würdet nicht einmal am Hof auffallen.»
    Diesmal wurde Cristino dunkelrot wie ein Glas Rotwein. Sie ließen Menerbo und die dazugehörigen Hügel hinter sich und folgten der Straße weiter Richtung Bonieus. Die Sonne war mittlerweile hoch in den Himmel geklettert, noch besaßen ihre Strahlen nicht die sengende Kraft des Sommers, aber es war bereits so warm, dass die Mäntel ausgezogen werden konnten. Das Pferd des 58
    Comte war unbändig und sträubte sich gegen die langsame Gangart, und auch Trévigny selbst merkte man eine gewisse Ungeduld an. «He, Monsieur le Docteur», rief er Fabiou zu, «wie wär’s mit einem kleinen Spurt?» Und ohne die Antwort abzuwarten, drückte er dem Pferd die Hacken in die Seite und raste los. «Mistkerl!», murmelte Fabiou.
    «Du bist ja nur neidisch, weil er viel besser aussieht als du», sagte Cristino verletzt und schenkte ihrem mageren, sommersprossigen, rothaarigen Bruder einen langen abschätzigen Blick.
    «Ach, halt’s Maul!»
    «Fabiou, benimm dich!»
    Fabiou holte Trévigny auf einer kleinen Kuppe ein, wo er sein Pferd pariert hatte und nun mit gerunzelter Stirn den Weg hinab blickte. «Was ist denn da passiert?», fragte er.
    «Passiert? Wieso?»
    «Nun – das da…»
    Prinzipiell ähnelte das Dorf, das zu ihrer Linken am Hang der Vorhügel des Luberoun lag, Menerbo. Niedrige lehmbraune Häuser aus Feldsteinen, eine Lehmstraße, Hühner und Gänse, ein paar Kinder.
    Wenige Häuser, intakte Häuser, die sich beidseits der Lehmstraße festkrallten. Eine Kirche, die statt eines Daches mit roh zusammengezimmerten Brettern gedeckt war, die sich dürftig auf angekohlte Balken stützten. Und ein Ring aus Ruinen rings umher, eingefallene, Ruß geschwärzte Mauern, in denen Vögel nisteten, grasüberwachsene Trümmerhaufen aus losen Steinen und geborstenen Balken, Mauerkronen, die wie verkohlte Finger nach dem blauen Himmel griffen.
    «Das ist La Costo», sagte Fabiou.
    «Hat es hier gebrannt?», fragte der Comte verwirrt.
    «Ja… nein… es hat hier mal einen Kampf gegeben. Dabei ist die Stadt zum Teil zerstört worden. Sie bauen sie allmählich wieder auf, aber das dauert eben,

Weitere Kostenlose Bücher