Die Kinder des Ketzers
Ordnung.»
Dann stolperte er die Treppe hinauf.
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Kapitel 13
in dem es um einen Ausflug geht, den man besser gelassen hätte, und um das mysteriöse Verschwinden der Bruderschaft
Ou sont les gracieux gallans
que je suivoye ou temps jadis,
si bien chantans, si bien parlans,
si plaisans en faiz et en dis?
Wo sind die fröhlichen jungen Männer,
deren Gefährte ich einst war?
So schön ihr Gesang, so gut, was sie sagten,
so angenehm in ihren Worten und Taten.
François Villon (1431-1463), französischer Dichter und Ganove, Le Grand Testament
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Alessia de Sault wurde an einem regnerischen Mittwochmorgen zu Grabe getragen. Es regnete selten im Juni in Ais, und die Damen und die Weiber, die dem Sarg folgten und sich die Augen mit Spitzentaschentüchlein oder ordinären Leinenfetzen abtupften, sagten untereinander, der Himmel weint um das unschuldige Kind. Unter dem nicht enden wollenden Strom der Trauergäste waren auch Mèstre Crestin und fünf seiner Arquiés. Jener blieb lange noch am aufgeworfenen Grab stehen, zusammengekniffene Augen in den grau umwölkten Himmel gerichtet. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.
Fabiou, der mehr aus detektivischem Interesse als aus Liebe zu der verblichenen Alessia der Trauerfeier beiwohnte, hatte dem Grab gerade seinen Rücken zugekehrt mit dem Plan, so schnell wie möglich ins Trockene zu gelangen, als ihm die Runde auffiel, die etwas abseits von den übrigen Trauergästen unter den breiten Ästen einer Zeder stand. Onkel Philomenus’ carcistischer Freundeskreis. Er stakste durch den Matsch in ihre Richtung. Nicht dass er sich von dieser Bande von Großschwätzern ernst zu nehmende Informationen erwartete, aber er war einfach neugierig, wie Alessias Ermordung von diesen Leuten interpretiert wurde. Er schlüpfte hinter die breiten Äste der Zeder und spitzte Augen und Ohren.
«Natürlich ist das nichts, wofür irgendjemand gerichtlich belangt werden könnte», sagte der Jansoun gerade zu den Übrigen, Onkel Philomenus, Jean-Baptiste Forbin, St. Roque, Faucoun, Sazo de Goult, Duran de Pontevès und zwei, drei andere, «aber denkt mal an den Skandal! Das waren Verbrecher, Himmel, aber es gibt dummerweise immer noch Leute, die das anders sehen.» Natürlich… die schoben das Ganze mal wieder den Antonius-Jüngern in die Schuhe.
«Und man darf den Carcès nicht vergessen», ergänzte sein Bruder. «Der hat so seine eigene Meinung, und Onkel Jean kann er nun mal nicht ausstehen. Wenn er die Sache mitkriegt, werden Köpfe rollen. Ich halte es für eine verdammt miese Idee, sich den Carcès zum Feind zu machen.»
«Ja, aber wieso?» Sazo de Goult, treuherzige Hundeaugen auf Jean-Baptiste Forbin gerichtet. «Der Carcès ist doch auf unserer Seite, oder etwa nicht?»
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Jean-Baptiste Forbin lachte. Der Jansoun grinste müde. «Hast du
‘ne Ahnung!», meinte der Senher de Pourrières, seines Zeichens Oppèdes Schwiegersohn, Gatte seiner mittleren Tochter.
«Aber der Carcès ist doch ein Kämpfer für den wahren Glauben und gegen die Ketzerei. Und wir doch auch», insistierte der Goult.
«Der Carcès definiert den Kampf für den wahren Glauben eben ein klein bisschen anders als Onkel Jean», meinte der Faucoun spöttisch. «Er gehört zu denen, die der Meinung sind, es würde genügen, exemplarisch Calvin und Zwingli hinzurichten, dann würde der Rest der Bande reumütig in die Arme von Mutter Kirche zurückströmen.»
«Mein Bruder hat einfach diese bescheuerten, verstaubten Ansichten», knurrte Duran de Pontevès. «Glaube, Ehre, Heldentum und so weiter, als ob wir noch bei Richard Coeur de Lion wären und morgen auf Jerusalem ziehen würden. Der hat ein Jahr lang kein Wort mit mir gesprochen, als er mitbekommen hat, dass ich den Arrêt de Mérindol unterstützt habe. Wir können von Glück sagen, dass er damals im Krieg war, der hätte uns einen Wahnsinnsärger gemacht. Wäre besser, er wäre da geblieben, als hierher zurückzukommen und sich als Führer der katholischen Prouvenço aufzuspielen!»
«Du bist ja nur neidisch!», spottete der Pourrières.
«Neidisch, vergiss es! Jean-Baptiste hat recht, wenn mein Bruder die Sache ‘rauskriegt, könnt ihr eure politischen Ambitionen in den Wind schreiben, das verspreche ich euch.»
«Gut, also was tun wir?», fragte Onkel Philomenus.
«Was bist du bereit zu tun?», fragte Jansoun mit zusammengekniffenen Augen. Philomenus sah beiseite. «Ich werde euch auf jeden Fall nicht dazwischen funken, egal was ihr
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