Die Kinder des Ketzers
stakste auf Cristino zu. Seine Knie zitterten vor Erschöpfung. «Du Idiot!», fuhr er Mergoult an.
«Wie konntest du sie nur hierher bringen? Wo du genau wusstest, dass hier irgendwo ein Irrer herumläuft, der es auf ihr Leben abgesehen hat!»
«Red keinen Mist! Wer sagt, dass sie es auf Cristinos Leben abgesehen hatten?»
«Auf wen sonst? Auf dich vielleicht?»
«Zum Beispiel.»
«Darf man lachen? Die Jungs hätten dich nicht angerührt, da gehe ich jede Wette ein. Dazu hast du viel zu einflussreiche Verwandte.»
«Was willst du damit sagen?» Mergoult war aufgesprungen. Seine Augen schleuderten Blitze. «Du willst doch nicht etwa den Präsidenten beschuldigen, für dieses Attentat verantwortlich zu sein?»
«Warum nicht? Himmel, ein Mord mehr oder weniger – was juckt das einen Jean Maynier?»
«Du Bastard, du verdammter! Was machst du überhaupt hier?
Warum spionierst du mir nach?»
«Dir? Da kann ich mir wirklich Besseres vorstellen. Aber nachdem du offensichtlich auf dem besten Weg warst, Cristino in Gefahr zu bringen, musste ich euch ja wohl nach!»
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«Ach ja, Arnac de Couvencour, furchtloser Beschützer wehrloser Jungfrauen! Ich kann verdammt noch mal auf mich selbst aufpassen und auf Cristino auch!»
«Oh ja», sagte Arnac höhnisch, «das hat man gesehen!»
«Ich bring’ dich…»
«Schluss jetzt!», brüllte Frederi. Mergoult, der gerade zum Schlag ausgeholt hatte, ließ die Faust sinken. Arnac nahm seine Hand von seinem Dolch. «Ihr werdet jetzt auf der Stelle aufhören zu streiten. Cristino muss hier weg. Ich werde sie in die Stadt zurückbringen, und ihr drei Großschwätzer gebt uns gefälligst Geleitschutz!» Er lief in die Mitte der Lichtung, wo der Landsknecht lag, der ihn hatte erschlagen wollen. Er war tot. Frederi bekreuzigte sich. Sein Gesicht hatte eine etwas ungesunde Farbe. «Musstet Ihr ihn denn gleich töten?», fragte er unbehaglich.
«Hätte ich lieber zusehen sollen, wie er Euch tötet?», fragte Arnac gereizt. Frederi antwortete nicht.
Sébastien rappelte sich auf. «Himmel, jetzt reicht es aber wieder für eine Weile mit den Abenteuern», stöhnte er. «Ich schätze, ich kann mich zwei Wochen lang nicht mehr bewegen. Die Schwerter vor allem… es ist einfach verdammt anstrengend, mit einem Degen gegen Schwerter zu kämpfen. Ich meine, schließlich hat ein Schwert eine ganz andere Schlagkraft, so einen Schwerthieb abzuwehren, da gehört schon einiges dazu», meinte er mit einem beifallheischenden Blick in Fabious Richtung. «Ein Glück, dass die Kerle so lahm wie Wegschnecken waren.»
«Das Horn», murmelte Fabiou.
«Hm?»
«Wer hat das Horn geblasen?»
«Na, einer von denen, schätze ich, zum Sammeln…»
«Nein!» Fabiou schüttelte heftig den Kopf. «Das Horn hat sie vertrieben, nicht abgerufen. Sie müssen gedacht haben, dass eine Jagdgesellschaft im Anmarsch ist, deswegen sind sie geflohen. Es sollte keine Zeugen geben, die aussagen könnten, dass es nicht die Antonius-Jünger waren, die diesen Mord begangen haben.»
«Aber hier ist nirgends eine Jagdgesellschaft», meinte Sébastien kopfschüttelnd.
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«Ja. Das ist seltsam, nicht wahr? Wäh, meine Zunge tut weh. Ich glaube, ich habe mir draufgebissen, als der mir auf den Kopf gehauen hat.» Fabiou streckte seine Zunge heraus und schielte angestrengt auf die Kerbe darin, aus der immer noch Blut austrat.
«Iiiih, schieht dasch ausch!»
Frederi steckte seinen Degen in die Scheide zurück und lief zu Cristino. Sie kauerte immer noch wimmernd vor dem Baumstamm. Er legte die Arme um sie und hob sie empor. «Cristino…», begann Arnac.
«Lasst sie zufrieden, verdammt!», schnauzte Frederi ihn an.
«Cristino, ich passe auf dich auf! Sie werden es nicht schaffen, dich zu töten!», rief Arnac.
Cristino weinte. Fabiou stand noch immer und starrte mit kunstvoll verrenkten Augen auf seine herausgestreckte Zunge. «Fabiou!», rief Frederi ihn zur Ordnung. Seufzend zog Fabiou seine Zunge ein. Neben ihm hob Arnac de Couvencour seinen Degen auf. «Wisst Ihr, Ihr würdet Euch wirklich eignen», meinte Fabiou nachdenklich.
«Eignen? Wozu?»
«Na, zum jugendlichen Helden meiner Ballade!», sagte Fabiou strahlend. Arnac lachte auf und schob den Degen in die Scheide. Sein Lachen hallte bitter von den Felsen wider.
***
Als die Landsknechte sich hoch auf dem Plateau nach ihrer Flucht wieder sammelten, trat einer, der bei ihnen die Funktion eines Ca- pitaine vertrat, auf den Kahlen zu, der am Rand des Plateaus
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