Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
noch nie das Vergnügen gehabt, Trévigny und Couvencour miteinander kämpfen zu sehen. Bloß einmal gegeneinander, und das war letztlich nur ein Schaukampf gewesen. Heute war es bitterernst. Von seinem Platz auf dem Waldboden hatte er zwar eine etwas eingeschränkte Sicht auf das Geschehen, doch auch so musste er feststellen, dass er selten etwas Faszinierenderes beobachtet hatte. Es war das Phänomen, das er von bemalten Kreiseln kannte. Schlug man sie an, so kam der Punkt, an dem die Bilder auf dem Kreisel zu verwischen begannen, sich in einen einzigen Strom aus Farben verwandelten. Was immer Sébastien und Arnac taten, es war zu schnell, als dass es Fabious Wahrnehmung zugänglich gewesen wäre. Er sah die Landsknechte anstürmen und wieder zurückstolpern, er sah, wie sich Arnac und Sébastien mit der Geschwindigkeit eines Wirbelwinds über den Waldboden bewegten, er sah das Zucken von Klingen, schnell und unwirklich wie Blitze oder Feuerzungen, aber was eigentlich geschah, konnte er nicht erkennen. Alles, was sich mit Sicherheit sagen ließ, war, dass diese beiden für die Landsknechte keine leichte Beute waren. Und dann sah er ihn. Er stand in einer Entfernung von vielleicht zwanzig Schritten im Schatten der Bäume, die Arme verschränkt, zwei Finger der rechten Hand locker auf dem Knauf seines Degens. Er stand dort, die Augen auf die Kämpfer gerichtet, wie der Puppenspieler, an dessen Fäden die Marionetten tanzen. Es war der Mann mit der Glatze.
    Nun denn, das erklärt vieles. Wir sind, wie es scheint, zum Tode verurteilt.
    Ringsum klirrten die Waffen, tobte der Kampf, Arnac, Gott, wie kann es sein, dass ein Mensch sich so schnell bewegt, selbst Sébastien staunt in den Sekundenbruchteilen, die ihm zum Staunen bleiben…
    653
    … und der Kahle dreht seinen Kopf, und der Blick des Puppenspielers bohrt sich in Arnacs Augen. Die Zeit steht still zwischen zwei Degenhieben, zwischen zwei Herzschlägen, sie blicken sich an, Arnac und der Kahle, und Arnac bewegt sich nach vorne, schiebt einen Landsknecht beiseite, gleichgültig, als gäbe es den Kampf nicht mehr, als wäre die Lichtung leer bis auf ihn und den Kahlen, dessen Hand sich langsam um den Degen schließt und ihn aus der Scheide zieht. Er lächelt. Ein Jagdhorn, von irgendwoher. «Da kommen welche!» Wer hatte das gerufen? Einer der Landsknechte, oder war es Frederi?
    Sie wandten sich ab, verschwanden zwischen den Bäumen, die Lichtung leerte sich. Der Kahle war verschwunden. Cristino hatte aufgehört zu kreischen. Man hörte plötzlich die Vögel singen.
    Frederi kam über die Lichtung gehumpelt, auf Arnac und Sébastien zu. «Sie fliehen», erklärte er intelligenterweise. Sébastien ließ sich mit einem erschöpften Seufzer auf den Waldboden fallen, aus seinen Haaren strömte der Schweiß. Arnac japste wie ein Ertrinkender.
    «Senher, Ihr habt mir das Leben gerettet», sagte Frederi steif zu Arnac. «Unsere religiösen Differenzen bedingen, dass ich niemals Euer Freund sein kann. Aber seid Euch meines Respektes und meiner Wertschätzung gewiss.»
    Arnac nickte fahrig. Der Degen schepperte aus seiner Hand, er sank keuchend gegen den Stamm einer Pinie.
    «Verdammtes Pack!» Mergoult natürlich. «Dieses verfluchte, verdammte Pack! Aufhängen sollte man sie, alle beisammen. Edelleute heimtückisch zu überfallen! Aber das wird der Parlamentspräsident erfahren, und dann wird er diese Bande endgültig vom Erdboden vertilgen!»
    Fabiou rappelte sich auf. Die Lichtung schwankte sacht unter seinen Füßen. «Welche Bande?», krächzte er. «Ihr denkt doch nicht etwa, das waren die Antonius-Jünger?»
    «Na, wer denn sonst?», blaffte Mergoult.
    «Für Raubgesindel waren die viel zu gut ausgerüstet», sagte Fabiou. Seine Artikulation war erschwert, die Zunge war ein dicker Klumpen in seinem Mund.
    654
    «Pah!» Mergoult köpfte ein paar Ginsterbüsche vor Wut. Dann ließ er seinen Degen sinken und sah zur Seite. «Cristino», sagte er.Cristino saß am Fuß jenes Baumes, gegen den er sie gedrängt hatte, die Arme über dem Kopf zusammengeschlagen. Sie weinte lautlos.
    «Cristino.» Er ging neben ihr in die Knie. «Cristino, seid Ihr verletzt?»
    Sie presste ihr Gesicht auf die Knie. «Ich werde sterben», wimmerte sie. «Ich hab’s ja gewusst.»
    «Das ist doch Unsinn!», meinte Mergoult und tätschelte ihr beruhigend den Kopf.
    «Das ist kein Unsinn! Ich werde sterben, sterben, sterben…» Sie schrie vor Verzweiflung.
    Arnac stolperte auf die Füße und

Weitere Kostenlose Bücher