Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
Und nachdem die Gegenseite erst mal die Zeit gehabt hatte, den Gegenschlag zu organisieren, waren sie erledigt. Bei Böblingen und bei Königshofen wurde das Bauernheer vernichtend geschlagen. Das kaiserliche Heer kannte keine Gnade. Jeder, dessen sie habhaft werden konnten, wurde niedergemetzelt, und wer das Pech hatte, in Gefangenschaft zu geraten, starb am Galgen oder auf dem Rad. Es war ein Blutbad sondergleichen.»
    «Und dieser Junge? Woher hatte er die Fahne?», fragte Fabiou.
    «Oh – er behauptet, es sei ein Familienerbstück. Möglich, dass seine Familie damals nach Frankreich geflohen ist.»
    Fabiou erinnerte sich. Hannes hatte gesagt, sein Vater sei Deutscher gewesen. «Und warum trägt er diese Fahne hier spazieren? Eine Rebellenfahne? Ich meine, wenn das der hiesige Viguié
    rausfindet, fliegt er aus der Stadt!»
    Ingelfinger hob die Schultern. «Man könnte meinen, er lege es darauf an, stimmt’s? – So, meine Herren, nun müsst Ihr mich aber endgültig entschuldigen. Die Pflicht…» Er stand auf. Er grinste noch immer.
    «Das Schreiben war für Euch gedacht, oder?», fragte Fabiou.
    «Wie?»
    «Trostett wollte, dass Ihr es findet, weil er wusste, Ihr würdet es verstehen.»
    Ingelfinger sah ihn prüfend an. «Ich denke, da irrst du dich, Fabiou», sagte er. «Ich denke, Trostett wollte, dass du es findest.»
    673
    ***
    An jenem Abend beschloss Catarino, sich nicht länger in ihr Schicksal zu ergeben. Oh nein, sie hatte nicht vor, in ihrer erzwungenen Klausur zur alten Jungfer zu werden, während vor ihrem Fenster in der Stadt draußen das Leben tobte. Zumal es im Haus in der Carriero de Jouque von Stunde zu Stunde öder zuging. Cristino hatte offensichtlich beschlossen, den Rest ihres Lebens heulend in ihrem Bett zu verbringen, und Fabiou war mittlerweile völlig abgedreht, sah überall Gespenster und Mörder und sprach weder mit ihr noch mit Frederi Jùli mehr über die Morde, angeblich, weil er sie nicht in Gefahr bringen wollte.
    Ein bisschen mehr Gefahr wäre Catarino zur Abwechslung ganz recht gewesen.
    Sie steckte natürlich in einem Dilemma. Zwar war es theoretisch möglich, sich bei Nacht und Nebel heimlich aus dem Haus zu schleichen. Dagegen war es nur schwer möglich, einfach in eine Festgesellschaft hineinzuschneien, man brauchte schließlich eine Einladung, und niemand lädt einen ein, wenn man offiziell das Haus nicht verlassen darf. Aber der Wunsch nach Abwechslung war an diesem Abend so übermächtig geworden, dass Catarino beschloss, etwas zu unternehmen, egal was, und je verrückter, desto besser.
    Sie unternahm etwas. Es war verrückt.
    ***
    Loís saß neben ihr, ihr immerwährender Schutz gegen die Nacht und gegen das, was in dieser Nacht auf sie lauerte. Agnes Degrelho, um genau zu sein.
    Doch dann kam der Punkt, an dem Loís davonglitt, sie dem Schlaf überließ, in dem sie hilflos, schutzlos ihren Träumen ausgeliefert war. Der Punkt, an dem Agnes auf sie wartete. Dann rannte sie wieder. Trippelte mit nackten Füßen über roten Marmor, vorbei an dem Innenhof, in dem lautlos der Springbrun- nen plätschert, vorbei an der Jagdszene, ein Angstschrei in den 674
    Augen des Hirsches, das Triumphgeheul der Jäger schien in der Luft zu hängen. Nach rechts, Säulen zu beiden Seiten, ein Stoß- gebet zum Himmel, Maria, schütz dies Kindelein, ich will auch immer artig sein, doch was soll Maria jetzt noch ausrichten, so nah ist die Mörderin schon, ihre weichen Schuhe fliegen über die Marmorplatten, bleib stehen, Kindchen, ruft sie, bleib doch ste- hen, ich will dir doch gar nicht weh tun! Und sie schreit in Panik, denn da liegt der kleine Körper mit dem blauen Gesicht zu ihren Füßen, Mama, schreit sie, Papa, und läuft weiter, und hinter ihr ruft es, Agnes, warte doch, du entkommst mir sowieso nicht! Und sie stolpert weiter, schreiend und weinend, und da ist die Kreu- zung, und der Stern, das Mosaik im Fußboden, braun und oliv auf rotem Grund.
    Loís, schreit sie. Hilf mir doch.
    Nein. Sie schreit gar nicht Loís.
    Sie schreit: Louise!
    Und da kommt sie, tritt hervor aus den Schatten, klein, schmal, geisterhaft in ihrem weißen Nachthemd, und sie steht auf dem Stern, dessen Strahlen sie umgeben, die Hände gegen ihre Seiten gepresst, und die Augen in ihrem leichenweißen Gesicht so tief und so schwarz wie die Abgründe der Hölle.
    Es ist das Mädchen mit den schwarzen Haaren.
    675

    Kapitel 14
    in dem dem Ritter der Kelche nur noch größeres Unheil droht Hier stehe ich. Ich

Weitere Kostenlose Bücher