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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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kann nicht anders. Gott helfe mir. Martin Luther, deutscher Reformator (1483–1546) auf dem Reichstag in Worms am 18. April 1521
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    «He, du, Göre, was stehst’n da rum und hältst Maulaffen feil?
    Die Vorstellung ist vorüber, chica !» Catarino fuhr herum, als die Stimme hinter ihr loszeterte, und starrte auf die Frau, der dieselbe gehörte.
    Sie kannte sie. Bei ihrer ersten Begegnung mit den Gauklern hatte sie mit den Fackeln jongliert. Damals hatte sie sie für etwa sechzehn gehalten. Jetzt, ungeschminkt und aus der Nähe betrachtet, war die Frau mindestens fünfunddreißig.
    «Was ist? Was glotzte so?», fragte die Akrobatin misstrauisch.
    «Wer bist du überhaupt? Lungerst nach Torschluss hier draußen rum! Wissen deine Eltern das?»
    «Ich… ich…» Catarino merkte zu ihrem Entsetzen, dass sie ihre ganze Frechheit verlassen hatte. Alleine hier draußen am Rand des Gauklerlagers fühlte sie sich plötzlich klein und schutzlos wie ein Säugling. «Ich… ich suche Hannes…» Sie hauchte das «H» so intensiv, wie es ihr möglich war. H-annes.
    «Hannes? Was willste von dem?»
    «Ich… äh…»
    «Hej, Hannes, komm mal rüber!», schrie die Akrobatin. Oh nein, dachte Catarino und drehte sich verzweifelt nach einem Mauseloch um, in das sie hätte verschwinden können. Keine Chance. Kein Mauseloch zu sehen.
    «Ja?» Hannes schlenderte zwischen den Zelten hindurch. Der Feuerschein warf einen roten Schimmer auf sein helles Haar.
    «Du hast Besuch. Ein Mädel aus der Stadt.» Die Frau grinste.
    «Verdrehst du jetzt schon den Bürgersgören die Köpfe?»
    Hannes starrte sprachlos auf Catarino, deren Gesicht röter als ihre Haare waren. «Bürgersgöre? Juana, das ist eine Barouneto», sagte er.
    «Na, nach Barouneto sieht die aber nicht gerade aus», meinte die Frau wenig respektvoll. Catarino wurde noch röter. Sie hatte Beatas Sonntagskleid aus deren Zimmer geliehen.
    «Was wollt Ihr hier?», fragte Hannes mit gerunzelter Stirn.
    «Mir war langweilig.» Catarino versuchte, so hochnäsig zu klingen wie möglich. «Da dachte ich, warum nicht mal hier vorbeischauen…»
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    Ein leichtes Lächeln erschien auf Hannes’ Gesicht. «Langweilig?
    Nun, ähm, wenn das so ist, tretet näher, Barouneto.» Eine mockierte Verbeugung. «Bitte sehr, hier entlang.»
    Catarino warf der Akrobatin, die sie anstarrte wie ein gefährliches Tier, einen zögerlichen Blick zu. Dann schritt sie entschlossen zwischen die Zelte hinein. Im Zentrum der Zelte und Lager war das Feuer. Funkensprühend prasselte es einem sternenübersäten Firmament entgegen. Ringsum war Leben. Männer und Frauen, die diskutierten und tratschten, spielende Kinder, alte Leute, die sich an den Gesprächen beteiligten oder nur am Feuer vor sich hin dösten, umherstreunende Hunde. Der Geruch von brutzelndem Fleisch und brennendem Holz lag über dem Platz. Auf der anderen Seite des Feuers erkannte sie Malou und neben ihm den Feuerschlucker.
    «Wir haben einen Gast», verkündete Hannes strahlend. Neugierige Blicke trafen Catarino. Wieder kein Mauseloch in der Nähe.
    «Äh… guten Abend», krächzte sie.
    Hannes zauberte ein paar Kissen aus dem Nichts und legte sie vor dem Feuer auf den Boden. «Setzt Euch», meinte er. «Ein Abendessen für die Barouneto!»
    Catarino ließ ihre zitternden Knie nachgeben. Bohrende Blicke ringsumher. Sie fühlte sich grauenhaft. Eine junge Frau trat auf sie zu, reichte ihr einen Holznapf. Ein kleines Stück Fleisch, etwas Brot. Sie wartete darauf, dass man ihr ein Messer anbot oder ihr zumindest eine Serviette reichte, doch nichts geschah. Sie linste zur Seite. Alle anderen aßen mit den Fingern. Na gut. Das gehörte offensichtlich zum großen Abenteuer.
    «Und? Schmeckt’s?», fragte Hannes grinsend, als sie das erste Stück vom Fleisch abgebissen hatte und misstrauisch kaute. Catarino schluckte. «Ein bisschen zäh», meinte sie ungnädig. Hannes lachte. «Hauptsache, es macht satt», sagte er. «Wir sind da nicht ganz so wählerisch, edles Fräulein.»
    «Na ja… man kann es schon essen», gestand Catarino großzügig zu. Sie blickte vorsichtig nach rechts und links. Die Aufmerksamkeit hatte sich wieder anderen Dingen zugewandt. Rechts von ihr redete die Akrobatin in einer fremden Sprache auf einen älteren Mann ein. «Was reden die da?», fragte sie neugierig. 679
    «Spanisch», antwortete Hannes. «Wir sind eine ziemlich bunt gemischte Bande. Franzosen, Provenzalen, Spanier, Italiener, Deutsche, Iren, Holländer,

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