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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Notar? Alessia? Und drittens: was in aller Welt hat das Ganze mit der Geschichte um Agnes Degrelho zu tun?»
    «Das verstehe ich auch nicht», meinte Bruder Antonius achselzuckend. Er seufzte. «Uns fehlen noch so viele Informationen, so viele Steinchen in dem großen Mosaik. Es ist echt zum Verzweifeln!»
    «Nein», sagte Fabiou.
    «Was?»
    Fabiou hatte die Hände zu Fäusten geballt. «Uns fehlt nichts mehr. Wir kennen alle Details, die es zu wissen gibt. Wir habe die Steinchen, Antonius. Wir müssen nur noch das Mosaik zusammenlegen.»
    «Wie kommst du denn da drauf?», fragte Sébastien ungläubig.
    «Weiß nicht. Das habe ich im Gefühl.»
    «Im Gefühl! Das ist irrational!», erklärte Bruder Antonius.
    «Ist mir egal. Ich weiß es trotzdem!», beharrte Fabiou. «Und ich werde es schaffen, das Rätsel zu lösen, verlasst euch darauf!»
    ***
    Für seinen nächsten Besuch bei Cristino suchte sich Arnac de Couvencour zweckmäßiger Weise den 12. Juni aus, den diesjährigen Termin der Fête-Dieux, wie man die eigentümliche Mischung 684
    aus Heiligenprozession, Festumzug und Narrenspektakel auf gut Französisch nannte. Seit zehn Uhr vormittags wälzte sich ein endloser Menschenzug durch die Straßen von Ais. Voraus schritten die hohen Vertreter der Geistlichkeit, der Bischof, der päpstliche Nuntius, die Vorsteher verschiedener Klöster, gefolgt vom kirchlichen Fußvolk, einfache Priester, Mönche und Nonnen und eine unübersehbare Zahl an Messdienern, die allerlei Reliquien und Heiligenstatuen mit sich führten. Ihnen folgten die Honoratioren der Stadt, die Konsuln, die Parlamentspräsidenten, die Mitglieder des Conseil und das Direktorium der Universität. Danach kamen die reichen Bourgeois , Kaufleute und Advokaten, denen der dicke Geldsäckel ins Gesicht geschrieben stand, und hinter ihnen, etwas bescheidener gekleidet, aber nicht weniger würdevoll, die Vertreter der Zünfte. Fast nahtlos ging die ehrgebietende Prozession dann in ein wildes Spektakel über. Handwerksgesellen schleppten Strohpuppen, die mit ihrer Kleidung und der Art ihrer Darstellung an Personen des öffentlichen Lebens erinnerten, und zwar nicht immer in schmeichelhafter Weise – besonderen Anstoß erregte eine, die den Ersten Parlamentspräsidenten zeigte, wie er wie ein Straßenräuber mit vorgehaltenem Dolch einem Bauern die Taschen leerte. Das wird noch ein Nachspiel haben, empörte sich Duran de Pontevès, und zwar ein gewaltiges! Dazwischen hatten sich Gaukler gemischt, gekleidet wie die Narren an der Carnava, die allerlei Kunststücke vorführten und mit den Zuschauern ihren Schabernack trieben. Letztere – die Zuschauer – standen zu Hunderten am Straßenrand und beobachteten das Spektakel, und über allem lag ein eigentümlicher Lärm, der sich aus mehr oder weniger kunstvoll intonierten Messgesängen, Kindergeschrei, Flötengedudel und dem unablässigen Raunen der Menschenmenge zusammensetzte. Wer in Ais auch nur das Geringste auf sich hielt, dem blieb nichts anderes übrig, als dem Ereignis zumindest als Zuschauer beizuwohnen, und dieser Umstand hatte zur Folge, dass, als Arnac de Couvencour gegen zwei Uhr nachmittags an die Haustür der Aubans klopfte, weder Frederi zu Hause war – der ihn sicher augenblicklich zum Teufel gejagt hätte – noch Onkel Philomenus – der vermutlich das Gleiche getan hätte. Wer ihn in Empfang nahm, war niemand anders als Oma Felicitas, die der Familie rundum erklärt 685
    hatte, dass sie keine Lust hatte, sich stundenlang am Straßenrand die Füße platt zu stehen und sich von der feinen Aiser Gesellschaft auf den Zehen herumtrampeln zu lassen. Sie war übrigens mit diesem Entschluss mitnichten allein; Senher Servan, Ex-Konsul von Ais, war vor einer halben Stunde mit einem bouquet roter Rosen erschienen, und seitdem hatten die beiden Alten sich in Omas Salon zurückgezogen. Ein Glück, dass die Dame Castelblanc nichts davon ahnte, sie hätte sich wohl nichts Unschicklicheres vorstellen können, als ihre Mutter dort oben allein mit einem Mann zu wissen!
    Arnac hätte sich schlichtweg keinen besseren Moment aussuchen können. Oma Felicitas war hocherfreut, ihn zu sehen, meinte, er könne selbstverständlich Cristino besuchen, so lange er wollte, und rief sogleich nach Senher Servan, Jaume, schau mal, Arnac de Couvencour ist da!, und Senher Servan schüttelte Arnac hocherfreut die Hand und sagte, er freue sich sehr, ihn wiederzusehen, er wisse ja, er sei ein großer Bewunderer von Couvencours

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