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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Vater!
    Das Ergebnis war, dass Arnac zehn Minuten später an Cristinos Bett saß. «Wie geht es Euch?», fragte er ernst.
    Sie schniefte und zog sich die Decke über den Kopf. «Warum wollen die mich töten?», schluchzte sie. «Sagt es mir, bitte!»
    Er holte tief Luft. «Habt keine Angst, Cristino», sagte er.
    «Keine Angst? In den letzten zwei Wochen sind zwei Mordanschläge auf mich verübt worden, und die alte Wahrsagerin hat meinen Tod vorausgesehen, und immer wenn ich schlafe, träume ich, Agnes Degrelho zu sein, die von ihrer Mörderin gehetzt wird, und da sagt Ihr, ich soll keine Angst haben?» Ihr Gesicht verzog sich weinerlich. «Ich werde sterben, das ist es. Es ist so gemein, das alles. Ich wäre doch so gerne noch siebzehn geworden!»
    Er sah sie an, und wieder einmal dachte sie, wie verstörend schwarz seine Augen waren. «Solange ich lebe, wird Euch niemand ein Haar krümmen», sagte er. «Bevor sie Euch töten wollen, müssen sie zuerst mich töten. Und das sollen sie nur versuchen!» Dann stand er brüsk auf. «Ihr müsst vorsichtig sein», sagte er. «Verlasst dieses Haus nicht. Sprecht mit niemandem, der nicht zu Eurer Familie gehört. Und vor allem – vertraut niemandem. Niemandem, habt Ihr gehört?»
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    Sie nickte mit offenem Mund. Ihre Wangen brannten. Mein Gott, er liebt mich, dachte sie in einer Mischung aus Verlegenheit und Stolz.
    Arnac starrte sie einen Augenblick lang aus weiten Augen an, dann drehte er sich um und schritt der Tür zu. «Macht Euch keine Sorgen», sagte er. «Ich bleibe in Eurer Nähe.»
    Sie blieb in den Kissen liegen. Bei aller Angst, die sie nach wie vor gefangen hielt, war es eine unglaublich ergreifende Vorstellung, dass da ein junger Ritter war, der über sie wachte, um sie vor allem Ungemach zu beschützen.
    Sie seufzte tief und gerührt.
    Auf dem Gang winkte Arnac de Couvencour Loís zu sich, der
    – wie immer strahlend vor Eifer – auf ihn zulief. Arnac betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen. Loís war kalkweiß im Gesicht, was eine Folge des Schlafmangels war, denn in den vergangenen Tagen hatte er nur stundenweise geschlafen, und das auf dem Fußboden neben Cristinos Bett. «Ihr wünscht?», fragte er und blinzelte mit seinen vor Übermüdung geröteten Augen. Arnac nickte langsam. «Du passt auf sie auf», sagte er. Er griff in seinen Mantel. Loís’ Augen weiteten sich. Arnac hielt plötzlich eine schwere Arkebuse in der Hand. «Da», sagte er und reichte Loís die Waffe.
    «Was… was soll ich damit?», krächzte Loís.
    «Falls du je in die Situation kommst, Cristino beschützen zu müssen, wirst du sie brauchen.»
    «Aber… ich kann mit so etwas doch gar nicht umgehen…»
    «Sie ist geladen», sagte Arnac ruhig. «Es ist ein neues Modell, man muss keine Lunte mehr anzünden. Einfach hier den Hahn spannen und da abdrücken. Denk daran – zwischen Abdrücken und Auslösen des Schusses liegen vier Sekunden, du kannst dir im Ernstfall also nicht allzu lange Zeit lassen.» Er drückte Loís das kalte Metall in die Hand und ging.
    ***
    Bevor Bruder Antonius am Mittag des 14. Juni das Haus der Aubans verließ, zischelte er Fabiou noch zu, dass er ihn am Nachmit687
    tag im Konvent besuchen solle, er habe ihm etwas Interessantes zu zeigen. Ein kleines bisschen zu laut leider Gottes, Frederi Jùli hatte gelauscht und tyrannisierte Fabiou eine gute Stunde lang mit seinem Gebettel, ihn mitzunehmen. Etwas liegt in der Luft, meinte Suso, während sie in ihrem Kochtopf herumrührte. Ich spüre es!
    Dass Suso richtig lag, wurde Fabiou klar, kaum dass er endlich Frederi Jùli abgewimmelt hatte und auf die Carriero de Jouque hinaustrat, um den Weg zum Augustiner-Konvent einzuschlagen. Der Himmel über Ais hatte sich verdunkelt. Lehmgelbe, niedrige Wolken lasteten schwer auf den Dächern, und durch die Straßen zog ein eigentümlicher Hauch von Schwüle und Staub, der den Menschen den Atem nahm und die Schwalben in die Sicherheit der Häuser fliehen ließ. Die Straßen waren wie ausgestorben, als Fabiou die Carriero drecho hinunterschritt. Nie zuvor in seinem Leben hatte er ein solches Licht gesehen, ein seltsames, bedrohliches Schwefelgelb, so als klaffe irgendwo ein Riss in den Pforten der Hölle. Ais duckte sich unter dem unheimlichen Leuchten, das seinen Schein wie einen widerlichen Zuckerguss über die Häuser und Gassen leerte. Die wenigen Menschen, die unterwegs waren, warfen einen prüfenden Blick zum Himmel und flüchteten dann rasch in die

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