Die Kinder des Ketzers
zurückgerückt wurde und der Cavalié sich erhob. «Wo wart ihr?», fragte er mit einer Stimme, die keine Entschuldigung duldete.
Keine Antwort. Sie standen in einer Reihe, Fabiou in der Mitte, Cristino zur Rechten, Catarino links, alle drei starr wie Statuen. Frederi Jùli stand ein Stück hinter ihnen und sah mit eingezogenem Kopf von einem zum anderen.
«Ich habe euch etwas gefragt!», schrie Frederi. «Ihr untersteht euch, heimlich das Haus zu verlassen? Bei allem, was in den letzten Tagen passiert ist? Nachdem ich es euch verboten hatte? Ich möchte jetzt wissen, wo ihr gewesen seid, sofort, verstanden?»
Philomenus grunzte beifällig. Eusebia murmelte eine spitze Bemerkung ins Tischtuch. Die Dame Castelblanc seufzte etwas von mein Herz, mein Gemüt. Maria Anno schlug mit ihrem Löffel auf ihre Breischüssel ein. Theodosius-das-Großmaul schlürfte. Die Kinder rührten sich nicht.
Frederi stürmte um den Tisch herum. «Ihr seid wohl taub! Ich will jetzt wissen, wo…»
«Wie ist mein Vater gestorben?», fragte Fabiou.
Der Cavalié erstarrte in der Bewegung. Das Klacken, mit dem seine Zähne aufeinanderschlugen, war bis zum anderen Ende des Raumes zu hören. Am Tisch hob die Dame Castelblanc ihre Hand und presste sie vor den Mund.
Neben Fabiou begann Catarino zu zittern.
Tante Eusebia hob den Blick von ihrem Teller. «Das weißt du doch», sagte sie in heiterem Plauderton. «Er ist an einem Fieber gestorben. So tragisch, das Ganze.»
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«Ach, hört auf damit!», schrie Fabiou. «Ich glaube Euch kein Wort! Wir sind gerade einem Mann namens Alest begegnet, der für die Inquisition arbeitet. Und Catarino hat ihn als denjenigen erkannt, der vor dreizehn Jahren unseren Vater weggeholt hat!»
Wieder quietschte ein Stuhl. Der Cavalié de Castelblanc war kreideweiß auf einen leeren Platz am vorderen Ende des Tisches gesunken. Catarino begann zu keuchen an Fabious Seite. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß.
«Warum haben sie ihn verhaftet? Nur weil er Protestanten verteidigt hat?», rief Fabiou. «Oder war er vielleicht selbst Protestant?»
Keine Antwort vom Tisch. Die Dame Castelblanc bewegte lautlos ihre Lippen.
«Verdammt, sagt mir, ob mein Vater Protestant war!», schrie Fabiou.
Philomenus sprang auf. «Du wagst es, so mit uns zu sprechen, du kleine Pest?», brüllte er. «Dir werd’ ich’s zeigen, du undankbares kleines Miststück!» Er war mit zwei erstaunlich gelenkigen Sätzen bei Fabiou und hatte ihn an den Haaren gepackt.
«Philomenus!», brüllte Frederi. Er war wieder aufgestanden.
«Das war der Grund, nicht wahr?», keuchte Fabiou. «Deshalb habt Ihr ihn so gehasst, Onkel, stimmt’s? Ein mieser Protestant, der Eure Schwester geheiratet und damit die ganze Familie in Misskredit gebracht hat. Wie schön, dass Euch die Inquisition von diesem kleinen Problem befreit hat, was?»
Philomenus stieß einen Fluch aus und ließ Fabious Haare los.
«Ich hab’s dir gesagt, Frederi!», schrie er. «Immer hab ich’s gesagt, dass es so weit kommen würde! Aber du, du musstest diesem verfluchten Bengel seine Unarten ja durchgehen lassen! Seine ewige Neugierde und Schnüffelei! War doch klar, dass die alte Geschichte dabei irgendwann zu Tage kommt! Herausprügeln sollen hättest du die gottverdammte Neugierde aus diesem Jungen! Aber stattdessen fasst Frederi Cristous kleinen Schatz natürlich stets mit Samthandschuhen an! Und das ist jetzt das Resultat! Die böse Saat des vermaledeiten Gespanns Bèufort-Avingou ist aufgegangen!
Und wohin das führen wird, weißt du besser als ich!»
Frederi lief mit großen Schritten auf Philomenus zu. «So redest du nicht über Cristou und Pierre!», schrie er wütend. 717
«Pierre! Cristou! Mögen sie für alle Zeiten in der Hölle brennen, für das, was sie getan haben!», brüllte Philomenus. «Sie haben den guten Namen meiner Familie in den Schmutz gezogen! Sie haben meine Schwester entehrt, meine Schwester, mein eigen Fleisch und Blut!»
«Dein Fleisch und Blut!», kreischte Frederi. «Und Pierre? Oh Gott, oh mein Gott, Philomenus, er war auch dein Fleisch und Blut!
Oh, mein Gott!»
Catarino lief mit steifen Beinen auf den Tisch zu und hielt an vor Frederi, den sie anstarrte mit offenem Mund. «Ihr!», krächzte sie. Ihre Augen funkelten wie die einer Raubkatze. «Ihr seid es gewesen, nicht wahr? Ihr habt meinen Vater bei der Inquisition angezeigt!
Weil Ihr scharf auf meine Mutter wart! Ihr habt ihn angezeigt und ihm meine Mutter weggenommen, kaum dass er
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