Die Kinder des Ketzers
nicht unbedingt ein Bauer sein.»
«Vielleicht auch ein Schäfer?», fragte Loís von hinten. Fabiou sperrte den Mund auf. «Mann…», hauchte er.
«Ich habe auch eine Frage», drängte Cristino. «Weißt du, wer mich umbringen will, und warum?»
«Also, ich hätte noch gerne gewusst, was…», begann Fabiou. Er kam nicht weiter. Die Alte war aufgestanden, schüttelte betrübt den Kopf. «Tut mir so leid, Kinderchen, aber ich kann keine Fragen mehr beantworten, neinnein.»
Fabiou runzelte die Stirn. Es war wie verhext! Man konnte fragen, wen man wollte, auf einmal hieß es, tut mir leid, darüber darf ich nicht reden! «Warum nicht?», schrie er wütend. «Warum kannst du die Frage nicht beantworten? Ich will verdammt noch mal einen vernünftigen Grund wissen!»
Die Augen der Alten waren trüb. «Weil heute der Tag ist», antwortete sie.
«Der Tag? Welcher Tag?», rief Fabiou verständnislos.
«Der Tag, an dem sie kommen, mich zu holen», sagte die Alte. Und im selben Moment flog der Vorhang auf.
Alles ging extrem schnell. Plötzlich waren die beiden Bewaffneten in der Hütte, schlugen und traten gegen die Wände, die bedrohlich zu wackeln begannen. «Raus hier, raus!», brüllten sie. Cristino kreischte mal wieder. Loís schleifte sie nach draußen, und die anderen stürmten panisch wie gejagte Hühner hinterher. Draußen waren noch mehr Bewaffnete, allesamt in der Uniform der Stadtwache. Allen voran stand ein Offizier, der das seltsamste 710
Gesicht hatte, das Fabiou je gesehen hatte. Es waren nicht so sehr die lange, hervorspringende Nase und die buschigen Augenbrauen, die so erstaunlich waren. Es war vor allem das riesige Feuermal, das die gesamte linke Seite seine Gesichtes einnahm. Es sah aus, als habe er die eine Hälfte seines Gesichts rot angemalt wie ein Narr an der Carnava. Seine kleinen dunklen Augen glitten wütend über Loís und die vier Geschwister. «Wo ist das Weib?», brüllte er. Jetzt zerrten sie sie aus der Hütte, die beiden Bewaffneten, die eben noch versucht hatten, das Bauwerk einzureißen. Sie hatten die Alte auf beiden Seiten untergehakt, ihre Füße schleiften über den Boden, da sie mit ihren gichtigen Beinen nicht Schritt halten konnte.
«Ah!», schrie der mit dem Feuermal. Das Brüllen schien seine normale Art der Verständigung zu sein. «Da ist sie ja, das Hexenweib!»
«Hexenweib?», rief Fabiou aus. «Mo…moment mal! Wer seid Ihr überhaupt, und was wollt Ihr von der Alten?»
Der Offizier mit dem Feuermal bedachte Fabiou mit einem seltsamen Blick. So etwa der Blick, mit dem ein Jagdfalke ein zahmes Kaninchen betrachtet, von dem er weiß, dass er es nicht anrühren darf, so gern er ihm die Klauen ins Genick schlagen würde. «Mein Name ist Alest, Soldat im Dienst der Chambre Ardente von Ais. Zu Euren Diensten, Senher», sagte er mit einem bösen Lächeln. Hinter ihm gab Loís ein Geräusch von sich, das wie ein Würgen klang. «Der… Chambre Ardente? Ihr meint, Ihr arbeitet für die», Fabiou rang nach Atem, «für die Inquisition?»
Das Lächeln in dem zweigeteilten Gesicht wurde noch breiter.
«Allerdings», sagte der Offizier. «Und dieses Weib da ist der Hexerei verdächtig. Sie hat magische Praktiken ausgeübt, Flüche ausgesprochen und Beschwörungen vollführt. Dafür gibt es Zeugen.»
Die Alte, die immer noch zwischen den beiden Wachleuten hing, starrte mit ausdruckslosem Blick ins Leere. «Ich spreche keine Flüche aus», sagte sie. Ihre Stimme klang absolut leblos. «Das kann ich gar nicht. Ich sage den Leuten die Zukunft, weil das meine Gabe ist. Mehr nicht.»
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«Halt dein Maul, Hexe!», brüllte der mit dem Feuermal. Und zu Fabious grenzenlosem Entsetzen schlug er der Alten die Faust ins Gesicht.
Cristino kreischte auf. «Lasst sie zufrieden!», schrie sie und stürzte auf die Alte zu. «Das ist doch nur eine alte Frau! Ihr dürft ihr nichts tun!»
Alest drehte sich um. «Sie ist eine Hexe!», brüllte er. «Und sie wird für ihr teuflisches Werk bezahlen!»
«Aber das ist Unsinn!», schrie Fabiou. «Es gibt keine Hexen! Das ist alles dummer Aberglaube und mehr nicht. Die Alte ist ein Bettelweib, das ein bisschen Geld verdient hat, indem sie leichtgläubigen Menschen die Karten gelegt hat! Meinetwegen ist sie eine Betrügerin, aber keine Hexe!»
Alest kam auf ihn zu, und da war eine Drohung in seinen Bewegungen, eine Drohung schlimmer als geballte Fäuste und blitzende Degen, und Fabiou stolperte rückwärts und spürte, wie sein Herz zu rasen
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