Die Kinder des Ketzers
überfordert. «Aber das ist doch dieser blöde Diener von den Castelblancs!»
«Weißt du was, Bertran, manchmal bist du echt zu doof!», sagte Alexandre und verdrehte die Augen. «Los», rief er dann seinen Waffenknechten zu, «sperrt den Mistkerl unten ein.» Er drehte sich zu Loís um, der blass und schweißüberströmt im Sattel hing.
«Und? Hast du noch irgendetwas zu sagen, Ratte?»
Loís wich seinem Blick nicht aus. «Warum hasst Ihr uns so?», fragte er. «Wir haben Euch nichts getan. Warum können Menschen wie Ihr immer nur zerstören?»
Alexandre öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Einen kurzen Moment lang wirkte er ziemlich aus dem Konzept gebracht.
«Schluss jetzt!», fauchte er dann. «Alle Welt beklagt sich immer, dass die Justiz so langsam arbeitet. Aber dem kann man abhelfen
– als zuständiger Gerichtsherr von Mergoult verurteile ich dich hier und jetzt wegen Wegelagerei und Mordversuchs zum Tod am Galgen. Das Urteil wird morgen um Punkt neun vollstreckt. Aber damit alles seine Richtigkeit hat, kriegst du das Ganze natürlich noch schriftlich. So, und jetzt schafft ihn weg.» Er sprang vom Pferd und lief auf das Wohngebäude zu, ohne Loís noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
«Das ist ja wohl die Höhe!» Fabiou sprang ihm in den Weg, bevor er die Treppe erreichen konnte. «Das soll ein rechtsgültiges Urteil sein? Das ist Mord und weiter nichts! Ich werde dich anzeigen!
Wegen Mord werde ich dich anzeigen, und wegen Missbrauchs der Gesetze und deines Titels, und wegen…»
«So, anzeigen willst du mich?», schrie Alexandre. «Also los, zeig mich an. Los, komm mit!» Fabiou fühlte sich von einer Hand am Arm gepackt, die die Kraft einer von Mèstre Piqueus Druckpres779
sen hatte. «Los, mitkommen!», brüllte Alexandre, während er ihn durch die Tür des Wohngebäudes zog, die Treppe hinauf. Er versuchte, sich loszureißen, sich wenigstens umzudrehen, um einen letzten Blick auf Loís zu werfen, doch aus diesem Griff gab es kein Entkommen, er wurde die steinerne Wendeltreppe hinaufgezerrt, ungeachtet der Tatsache, dass er mehrfach stolperte und sich die Schienbeine an den Kanten der Stufen aufschlug, und über eine Schwelle in einen Wohnraum gestoßen. Er ist wahnsinnig, dieser Mergoult ist komplett wahnsinnig, dachte er, als er auf einen Läufer fiel und mit ihm über den Fußboden schlitterte, bis er am Sims eines offenen Kamins zum Stillstand kam. Wenn sein Vater in diesem Alter genauso war, braucht man sich nicht zu wundern, dass er ein paar Jahre später ein paar tausend Waldenser hat umbringen lassen!
«Vater!», schrie Alexandre de Mergoult.
Es war das erste Mal, dass Fabiou hörte, wie er ihn so nannte. Am anderen Ende des Raumes wurde ein Vorhang beiseitegeschoben, und in den Raum trat Jean Maynier, der Baroun d’Oppède. Fabiou stolperte auf die Füße. Es gab mittlerweile keine Stelle an seinem Körper mehr, die ihm nicht wehtat.
Oppède sah mit hochgezogenen Augenbrauen von dem zerschrammten Fabiou zu seinem Sohn, der mit verschränkten Armen am Türrahmen lehnte, und fragte: «Was ist denn hier los?»
«Heute Nachmittag hat so ein unverschämter Pferdeknecht, der mir schon ein paar mal Ärger gemacht hat, meinen Bruder zusammengeschlagen», stieß Mergoult zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. «Ich habe den Kerl zum Tode verurteilt. Und dieser Bengel möchte sich deshalb beschweren.»
«Jean hat angefangen!», schrie Fabiou wütend. «Loís hat mich nur verteidigt, als Jean mich angegriffen hat. Und selbst wenn er schuldig wäre, hätte er Anspruch auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung! In diesem Land gibt es schließlich Gesetze! Sollte man zumindest meinen!»
Mayniers dunkle Augen waren reglos auf Fabiou gerichtet. «Wer ist dieser Lümmel, Alexandre?», fragte er unbeeindruckt.
«Der kleine Castelblanc», sagte Alexandre höhnisch. 780
«Ach. Der Rotzlöffel, der mit seiner unverschämten Schnüffelei ganz Aix durcheinanderbringt. Na, sieh einer an!» Maynier grinste. Wieder hatte man den Eindruck, dass dieses Grinsen nur auf seinen Lippen existierte. Als habe er einen Krampf in der Lippenmuskulatur.
«Mein Name ist Bèufort», erklärte Fabiou. «Und in Anbetracht der Tatsache, dass Ihr meinen Vater auf dem Gewissen habt, könntet Ihr ruhig ein bisschen höflicher zu mir sein!»
«Deinen Vater?» Maynier machte ein äußerst verständnisloses Gesicht.
Natürlich, dachte Fabiou, wenn man ein paar tausend Menschen umgebracht hat, fällt es
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