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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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schwer, sich an jeden einzelnen zu erinnern. «Cristou Kermanach de Bèufort, Rechtsanwalt in Ais», half er Mayniers Gedächtnis auf die Sprünge. «Sagt Euch das gar nichts?»
    Offensichtlich doch. Das Gesicht des Parlamentspräsidenten war im Bruchteil einer Sekunde blutrot geworden. «Kermanach de Bèufort?» Maynier sprach den Namen wie einen todbringenden Fluch aus. «Zu diesem Bèufort gehörst du? Nun», spottete er, «ich muss schon sagen, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.»
    Das gilt für mehrere der hier Anwesenden, dachte Fabiou.
    «Bèufort!» Mayniers Stimme bebte vor Verachtung. «Ein Protestant! Ein Aufrührer! Einen feinen Vater hast du da gehabt, Bengel! Ich hoffe, dass er in der Hölle schmort!»
    «Ihr habt ihn getötet, nicht wahr?», stieß Fabiou hervor. «Ihr habt ihn im Gefängnis ermorden lassen, stimmt’s?»
    «Kannst du mir verraten, warum ich das hätte tun sollen?», fragte Maynier lachend. «Wäre es nach mir gegangen, er wäre auf der Place des Jacobins auf einem Scheiterhaufen gestorben. Aber dieser Hund war zu feige, die Konsequenzen seines gottlosen Handelns zu tragen. Er hat sich umgebracht. Ein feiger Selbstmörder war er und mehr nicht!»
    Fabiou spürte ein nie gekanntes Gefühl in sich aufsteigen, das so brennend und so übelkeiterregend war, dass er meinte, sich übergeben zu müssen. «Wenn Ihr zulasst, dass Loís stirbt, dann werdet Ihr es bereuen!», krächzte er. «Ich weiß etwas über Euch was bisher 781
    noch keiner weiß und was sogar die Anhänger des Carcès gegen Euch aufbringen könnte! Ich sage nur Carfadrael!»
    Er bereute diese Worte sofort.
    Mayniers Gesicht hatte sich in eine ausdruckslose Maske verwandelt, in der das einzig Lebendige zwei zu Eis gefrorene Augen waren. «So», sagte er, und auch seine Stimme war so, jede Emotion darin zu Stein erstarrt, «ist das so.» Sein Blick ging zur Seite, zu einer der Schießscharten, durch die glutrot das Licht der sinkenden Sonne fiel. «Was für eine Welt da draußen», sagte er versonnen.
    «So schön und doch so böse. Und so gefährlich für dumme kleine Jungs, die sich in Dinge einmischen, die sie nicht verstehen.» Er lächelte Fabiou an. «Schmeiß ihn ‘raus, Alexandre.»
    Das ließ Alexandre sich nicht zweimal sagen, und ehe Fabiou sichs versah, wurde er auch schon aus dem Burgtor gestoßen, das hinter ihm ins Schloss fiel. Von Loís war weit und breit nichts mehr zu sehen.
    Er trat ein paar Mal vor Wut mit dem Fuß gegen die schweren Eichenbohlen. Nicht, dass das erfolgversprechend war, dieses Tor war gebaut worden, den Kaiserlichen, den Türken und ganzen Generationen von Raubrittern zu trotzen, aber etwas besser fühlte er sich danach.
    Die Sonne war gesunken. Fabiou setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen die Mauer und starrte zum Abendstern empor, der hell und strahlend über dem Horizont erschien. Beeil dich, Frederi, dachte er, bitte!
    ***
    «Langsam verstehe ich, warum Ihr ihn unbedingt beseitigt haben wollt», sagte Maynier, als Fabiou und Alexandre den Raum verlassen hatten, zu dem Mann, der durch den Vorhang trat. «Er ist ein Sicherheitsrisiko, dieser Bengel, in der Tat. Für Euch ganz besonders natürlich», er lachte leise, «aber allmählich für uns alle.» Er trat zum Tisch, auf dem eine Karaffe Wein und zwei Gläser standen. Fabiou und Alexandre waren mitten in eine angeregte Unterhaltung hineingeplatzt. «Noch etwas Wein?»
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    «Danke, nein», sagte der andere. «Ich brauche einen klaren Kopf, denke ich.»
    Maynier schenkte sich selber ein und nahm einen tiefen Schluck.
    «Sehr gut. Aus den Weinkellern von Tour d’Aigue. Ich kaufe immer diesen Wein, er ist der beste.» Er lehnte sich gegen den Tisch und betrachtete sein Gegenüber mit einem nachdenklichen Lächeln.
    «Wie schnell könnt Ihr den Genevois erreichen?»
    «Er ist nicht weit», antwortete der andere.
    «Ah. Das ist gut.» Maynier nippte erneut an seinem Glas. «Der Junge wird bleiben. Er weiß, er hat keine Chance, Aix rechtzeitig zu erreichen, um Hilfe zu holen, also wird er hierbleiben und sich bis zum letzten Moment einreden, er könne seinen Freund, den Pferdeknecht, doch noch vor dem Schafott bewahren. Es ist unglaublich, was Menschen sich alles einreden können in dem Versuch, eine unabstreitbare Tatsache zu verleugnen.»
    Er trat zur Seite, auf das Fenster zu. Sein Kopf war eine schwarze Silhouette vor einem blutroten Himmel. «Aber wenn der Kerl tot ist, wird er heimreiten. Mutterseelenallein auf der

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