Die Kinder des Ketzers
an deine Seite gestellt hatte. Wir haben Hand in Hand einen Blick in die Hölle getan, Arnac. Das ist ein Band, das niemals zerreißt, das uns zu Verbündeten macht, bis zum Tag der Abrechnung. Und der ist nahe, so nahe.»
Weiß war Arnacs Gesicht im Mondlicht. «Mein Gott», flüsterte er, «du bist… mein Gott!»
«Es hat begonnen, Arnac. Das Spiel hat wieder begonnen. Wir beide werden es wahrscheinlich nicht überleben, aber das tut nichts 785
zur Sache. Wir sind nur Geister, tot seit ewigen Zeiten, was zählt schon unsere Existenz. Aber noch gibt es ein Ziel zu erreichen.»
Er zog die Maske vollends vom Kopf; das Mondlicht schimmerte fahl auf seinen Haaren. «Die Mergoults haben Fabiou und Loís geschnappt, und der Baroun de Mergoult hat Loís wegen Räuberei zum Tode verurteilt. Wenn kein Wunder geschieht, wird Loís morgen früh um neun am Galgen sterben. Und Fabiou – Fabiou besitzt die Aufrichtigkeit und Geradlinigkeit seines Vaters und die Todesverachtung seines Onkels. Und das ist eine äußerst ungesunde Kombination. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Maynier ihn gehen lässt.»
«Maynier? Maynier ist bei den Mergoults?»
«Wie gesagt – wir brauchen ein kleines Wunder!» Der andere lächelte traurig. «Traust du dir zu, eines zu Wege zu bringen?» Und er drehte sich um und war im nächsten Moment von der Nacht verschluckt.
***
«Was zum Teufel…», rief Philomenus, als unten laut und eindringlich gegen die Tür gehämmert wurde.
«Wer könnte das sein?», fragte Tante Eusebia stirnrunzelnd.
«Wahrscheinlich die Inquisition. Warst du nicht regelmäßig genug bei der Beichte, Eusebia?», fragte Oma Felicitas bissig. Eusebia machte ein Gesicht, als ob sie in Ohnmacht fallen wolle.
«Aufmachen!», brüllte es hinter der Tür. «Macht auf, schnell!»
Der Pförtner kam die Treppe hinauf. «Soll ich öffnen?», fragte er.«Nein, bloß nicht!», jammerte Eusebia. Offensichtlich nahm sie Omas Worte ernst.
Philomenus lief mit großen Schritten auf die Treppe zu. «Öffne die Tür!», fuhr er den Pförtner an, der eilte, seinem Wunsch zu entsprechen.
Arnac stürzte zur Tür herein, kaum dass diese einen Spalt offen war. «Ich muss den Cavalié sprechen!», schrie er, während er immer drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe emporstürmte. 786
«Keinen Schritt weiter!», brüllte Philomenus. «Ich dulde keine Protestanten in diesem Haus!»
«Sehr gut. Ich bin nämlich kein Protestant.» Arnac wollte sich an Philomenus vorbeidrängen, doch der trat ihm in den Weg. «Ihr seid ein gottverdammter Ketzer! Die Inquisition sucht nach Euch!
Ich werde sie informieren, sofort!»
«Philomenus, lass ihn in Ruhe!» Frederi kam über den Gang gerannt. «Was wollt Ihr hier?», fuhr er Arnac an. «Habt Ihr nicht schon genug Unheil angerichtet?»
«Euer Sohn ist in Lebensgefahr, Cavalié», sagte Arnac unbewegt.
Frederis Gestalt sackte in sich zusammen, wie eine Marionette, deren Fäden man durchgeschnitten hatte. «F…Fabiou?», flüsterte er.«Und nicht nur er», fuhr Arnac fort. «Euer Diener, Loís, ist von Mergoult gefangen gesetzt und wegen Räuberei zum Tode verurteilt worden. Morgen früh wird er hingerichtet.»
Ein Aufschrei vom Ende des Ganges. Dort standen Bardou und Suso neben Catarino und Cristino. Bardou war gegen die Wand gesunken. Er sah aus, als habe er eine Herzattacke. Aber geschrien hatte eine Frauenstimme.
Frederis Hand tastete nach seiner Stirn. «Oh Gott», flüsterte er.
«Oh mein Gott.»
«Aber, wie… wie können die Loís für einen Räuber halten? Das ist doch absurd! Wir wissen doch alle, dass er kein Räuber ist! Wir müssen hin und es ihnen sagen!» Cristinos Augen zuckten wirr durch den Raum, von Arnac zu Frederi zu Bardou und wieder zu Arnac. «Wir müssen es ihnen sagen! Gott, wir müssen es ihnen sagen! Oh Gott, oh Gott, bitte, oh Gott!» Sie begann zu schreien.
«Maynier ist bei ihnen. Er hat es abgesegnet», sagte Arnac. Frederi machte einen Schritt zur Seite. Seine Hand tastete nach der Wand, als ob er Halt brauche. «Maynier…»
«Trotzdem müssen wir es versuchen», sagte Arnac. «Wir müssen so viele Leute wie möglich zusammentrommeln und nach Mergoult reiten. Vor Zeugen werden sie sich etwas schwerer tun mit einer Hinrichtung ganz ohne Gerichtsverhandlung.»
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Frederi bewegte langsam den Kopf. Arnac brauchte einige Sekunden, um diese Bewegung als Kopfschütteln auszumachen.
«Niemand kann etwas ausrichten… gegen Maynier», krächzte er.
«Wir
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