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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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müssen es wenigstens versuchen!», schrie Arnac. Ruckartig zuckte Frederis Kopf hin und her. «Er wird uns alle vernichten. Uns», er machte eine ausladende Handbewegung in Richtung der Familie, «alle!»
    «Mein Gott, was soll das heißen?», schrie Arnac. «Dass Ihr Loís im Stich lassen wollt? Einen Menschen, der Euch ein Leben lang treu gedient hat? Der Eurer Tochter das Leben gerettet hat?»
    Frederi wandte sich um. Seine geweiteten Augen blickten auf Bardou, der blass und zitternd an der Wand lehnte. «Es tut mir leid, Bardou», sagte er. «Ich kann Loís wegen nicht die ganze Familie in Gefahr bringen.»
    «Verflucht, Cavalié», schrie Arnac, «wenn Euch Loís’ Schicksal schon egal ist, dann denkt wenigstens an Fabiou. Maynier wird ihn ebenfalls umbringen lassen, wenn wir nichts unternehmen!»
    «Fabiou! Und… Frederi Jùli!» Die Stimme der Dame Castelblanc klang nach Panik. «Er ist sicher auch dort! Frederi, oh Gott, Frederi!»
    «Maynier wird ihnen nichts tun.» Frederi fuhr fort, den Kopf zu schütteln, zackig, wie eine Figur auf einem Uhrwerk. «Es sind Kinder. Er wird ihnen nichts tun!»
    «Oh, Himmel, wacht auf, Cavalié!», schrie Arnac. «Maynier hat
    ‘45 über tausend Kinder umbringen lassen. Glaubt Ihr im Ernst, zwei mehr würden sein Gewissen über Gebühr belasten?»
    Frederi zitterte. Sein Gesicht war schweißnass. «Wir können nur beten», flüsterte er. «Nur beten.»
    Arnac schüttelte langsam den Kopf. Dann wandte er sich um und lief die Treppe hinunter. «Ich gehe zum Viguié!», schrie Philomenus hinter ihm. «Ich sorge dafür, dass dieser Ketzer verhaftet und seiner gerechten Strafe zugeführt wird, verdammt noch mal!»
    «Halt den Mund, Philo!», sagte Oma Felicitas.
    Arnac trat auf die Straße hinaus.
    «Arnac!» Schluchzend kam sie hinter ihm aus dem Haus gestürzt. «Arnac, bitte! Ihr dürft nicht zulassen, dass sie Loís umbringen, bitteee!»
    788
    Er sah Cristino aus stumpfen Augen an. «Wie stellt Ihr Euch das vor?», fragte er mit einem bitteren Lachen. «Zusammen hätten wir vielleicht eine Chance gehabt. Aber ich allein? Mein Wort zählt nichts, ich bin bereits so gut wie zum Tode verurteilt. Und um Loís gewaltsam zu befreien, ist einer definitiv zu wenig.»
    Sie heulte. «Bitte. Er darf nicht sterben. Bitte.»
    «Ihr liebt ihn», sagte Arnac leise.
    Cristinos Hände krallten sich in ihr Haar. Sie schluchzte. Er packte sie an den Schultern. «Ihr liebt ihn, habe ich recht?
    Antwortet mir!»
    «Lasst mich zufrieden! Ich hasse Euch! Lasst mich zufrieden!»
    «Ich will jetzt eine Antwort!», schrie Arnac. «Liebt Ihr ihn, ja oder nein?»
    «Er ist ein Diener!», schrie Cristino. «Ich darf ihn nicht lieben!»
    «Ich habe Euch nicht gefragt, was Ihr dürft und was nicht! Ich habe Euch gefragt, ob ihr ihn liebt! Und ich will jetzt verdammt noch mal eine Antwort!»
    «Ja!», kreischte Cristino. «Ich liebe ihn! Ich liebe Loís! Reicht Euch das? Reicht Euch das jetzt, Himmelherrgott?»
    Er ließ sie los. Er nickte langsam. «Gut», sagte er. «Wenn das so ist, dann bringe ich ihn Euch zurück.» Damit drehte er sich um und verschwand in der Nacht.
    Cristino ließ sich auf eine der Stufen vor dem Haus sinken. Sie hatte das Gefühl, nie wieder mit Weinen aufhören zu können.
    ***
    Es war das Licht, das Frederi Jùli aufmerksam machte. Nach einer einstündigen Wanderung durch die pechschwarze Dunkelheit unter den Bäumen, durch deren dichte Krone weder das Licht des Mondes noch das Funkeln der Sterne drang, war sein Auge ausgehungert nach Licht, wie sich ein Verdurstender nach Wasser sehnt. Und wie ein Verdurstender in jeder Luftspiegelung eine Pfütze zu erkennen meint, so bevölkerte Frederis Auge den Wald mehr und mehr mit nicht existenten Lichtpunkten, die Irrlichtern gleich durch die Büsche zu huschen schienen, im Unterholz aufleuchteten und sogleich wieder erloschen. 789
    Es war so gruselig. Er meinte, vor Angst tot umfallen zu müssen. Und dann sah er das Feuer.
    Er begriff sofort, dass es ein echtes Feuer war und keine seiner Geistererscheinungen, so sehr unterschied sich das warme, vertraute Flackern der Flammen von den fahlen Lichtern, die in den Bäumen zu funkeln schienen. Und vor allem roch er das Feuer auch. Der anheimelnde, altbekannte Geruch von brennendem Holz. Er spürte namenlose Erleichterung in sich aufsteigen. Er war nicht mehr allein. Da war ein anderer mit ihm in diesem endlosen finsteren Wald, einer, der ihn beschützen konnte vor den Irrlichtern und

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