Die Kinder des Ketzers
hat sich bereit erklärt, euch auf seinem Grund und Boden Schutz zu gewähren. Bei ihm seid ihr sicher.»
Fabiou sperrte den Mund auf. Cristino begann zu zittern. «Loís», sagte sie. «Ich will, dass Loís mitkommt.»
«Ich werde nicht gehen», erklärte Fabiou finster.
«Ich gehe nicht ohne Loís!», jammerte Cristino.
«Loís! Bardou, schaff Loís her, er soll verdammt noch mal mitgehen, damit das Gör Frieden gibt!», schimpfte Onkel Philomenus.
«Und du, junger Mann, hältst jetzt deinen Mund und steigst in die Kutsche.» Er funkelte Fabiou mit wütenden Augen an. Fabiou verschränkte die Arme. Er sah sehr ruhig aus und sehr erwachsen. «Ich bin kein Kind mehr, Onkel», sagte er kühl. «Ich bin der Baroun de Bèufort. Ihr habt mir nicht das Geringste zu befehlen. Ich bleibe in Ais.» Er drehte sich um und ging ins Haus zurück.
«Na, dann bleib halt hier, kleiner Idiot!», brüllte Philomenus.
«Bleib hier und lass dich umbringen, wenn du unbedingt willst!
Ich habe versucht, dir zu helfen, aber bitte!»
Loís kam. Er sah noch immer etwas mitgenommen aus, sein rechtes Auge tauchte nur ganz allmählich wieder unter den geschwollenen Brauen auf. «Was ist los?», fragte er.
«Loís, sie wollen, dass ich mit dem Baroun d’Astain gehe!», schrie Cristino.
«Es ist nur zu Eurer Sicherheit», meinte der Baroun. «Bei mir werden Euch diese Leute nicht finden, die Euch nach dem Leben trachten. Und wenn doch, so haben sie es mit zwanzig erprobten Kriegsknechten zu tun.»
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«Du musst mitkommen, Loís», schrie Cristino, «sonst habe ich Angst! Loís, ich habe Angst!»
Er nickte. «Ich komme mit, natürlich», sagte er. «Einen kleinen Augenblick nur.» Er rannte in die Scheune und kam wenig später mit einem Bündel zurück, das einen länglichen Gegenstand barg.
«In Ordnung. Wir können gehen.»
Alles ging sehr schnell dann. Ihre Mutter drückte Cristino gerade noch einen Kuss auf die Stirn, da wurde sie vom Baroun d’Astain auch schon in die Kutsche geschoben, Loís hintendrein. Cristino schrie noch, Anno solle ebenfalls mit, doch der Baroun beruhigte sie, er habe bereits eine Zofe für sie bereitgestellt, es bestünde keine Notwendigkeit, Anno aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen. Die Kutsche fuhr an. Cristino starrte angstvoll in die Dunkelheit, in der sie unsicher das Gesicht des Baroun und noch viel vager das von Loís ausmachen konnte. Die Kutsche zuckelte die Carriero drecho hinunter und bog dann nach rechts in die Carriero dei Salin ein, Richtung Porto dis Augustin.
***
Irgendwann begann alles zu verwischen. Der Hunger, der Durst, die Kälte, die Scham darüber, dass er keine andere Möglichkeit hatte als in die Hose zu machen wie ein Säugling, schließlich sogar der Schmerz in seinen Schultern und seinen Handgelenken. Alles wurde gleichgültig, ein Meer aus Benommenheit, durch das er trieb wie ein zerschmettertes Stück Treibgut, wie ein Salzkorn, das sich auflöst in der Unendlichkeit. Es war ein angenehmes Gefühl. Er wusste, es war der Weg in den Tod oder der Weg in den Wahnsinn. Es war verlockend. Am Anfang hatte er gekämpft. Gegen die Panik, die ihn zu überwältigen drohte, eine Panik so grell und blendend wie die Sonne an einem brütenden Sommerhimmel. Sie hatte ihn mit Scham erfüllt, diese Panik, denn er hatte sich immer für einen mutigen Menschen gehalten. Ein Abenteurer, ein Kämpfer, einer von denen, die lieber mit der Waffe in der Hand sterben als vor irgendeiner Gefahr fliehen wollten. Warum auch nicht? Man konnte sich ein Leben lang in seinen vier Wänden verkriechen und dann doch lange vor der Zeit an 874
der Pest oder der Schwindsucht sterben. Also lieber aufregend leben, lieber ein verrückter Tod, über den die Leute noch reden, kopfschüttelnd vielleicht, aber anerkennend, als auf der Ofenbank krepieren wie ein altes Weib. Er hatte sie so belächelt, die Hofschranzen, die sich mit Leibwächtern und Waffenknechten umgaben, um sich zu schützen, vor Raubüberfällen, vor Mordanschlägen, vor allem, was das Leben unsicher machte. Sicherheit! Es gab keine Sicherheit! Das Leben war ein großes Risiko, und er genoss jeden Augenblick der Gefahr wie andere ein erlesenes Festmahl.
Aber das hier war anders. Es hatte nichts mit Degenkämpfen, einsamen Ritten durch die Nacht und waghalsigen Jagdabenteuern zu tun. Er war wehrlos, komplett ausgeliefert der Willkür von Menschen, die ihn vernichten konnten, wenn sie Spaß daran hatten. Und wenn sie ihn vernichten sollten,
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