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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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unter der Erde war! Ihr habt ihn nie geliebt, nie!»
    «Catarino, hör mir zu…», begann die Großmutter, mühsam beherrscht.
    «Ich höre nicht zu!», kreischte Catarino. «Keinem von Euch! Ihr habt meinen Vater im Stich gelassen! Ihr seid schuld an seinem Tod! Mörder seid Ihr, alle!» Sie wirbelte herum und rannte.
    «Catarino!», brüllte Onkel Philomenus. «Catarino, komm zurück!» Unten schlug die Tür.
    ***
    Bruder Antonius fand Fabiou auf dem Friedhof, wo er auf einem Stein gegenüber dem Familiengrab der Aubans saß und stumm auf die Gräber starrte. Sein Gesicht war weiß wie der Tod. Die Sonne hatte sich gesenkt, die Grabsteine zogen gigantische schwarze Schatten auf dem Kiesweg.
    «Fabiou, was ist?», fragte Antonius.
    Vor ihm erstrahlten die Grabsteine im Abendschein. Cristou Kermanach de Bèufort, 1521-1545, ein Kreuz und ein Kelch, das Kreuz Christi und der Kelch der Bruderschaft. Und Pierre Martin Avingou, geboren am 5. Juni 1516 zu Aix, gestorben am 5. Mai 886
    1545 ebenda. Fabiou hob den Kopf. Seine Lippen zitterten. Auf seinem Schoß lag ein Stapel verblichenen Pergaments. Antonius schluckte. «Was ist das, Fabiou?», fragte er unsicher. Fabious Blick sank zurück auf die stummen Gräber. «Onkel Pierres Gerichtsakte», sagte er. Seine Stimme war kaum zu hören. Ego eis touto gegennemai kai eis touto elelytha eis ton kosmon hina martyresote aletheia. Christus spricht, ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablegen soll, Johannes 18, Vers 18. Die Inschrift muss Beatrix’
    Werk gewesen sein. Wer sonst hätte ausgerechnet diese Bibelstelle ausgesucht.
    Bruder Antonius setzte sich neben ihn und griff nach den Papieren. Im ersten Moment machte Fabiou eine Handbewegung, als ob er ihn zurückhalten wollte, doch dann ließ er ihn gewähren. Bruder Antonius legte die Akte auf seine Knie und blätterte stumm durch die Papiere. Fabiou starrte auf die Grabsteine. Eine Träne löste sich aus seinem Auge und lief über seine Wange. Er wischte sie hastig weg. Weiß glänzten die Gräber im schräg einfallenden Licht. Schließlich schlug Antonius die Akte zu. «Oh mein Gott, Fabiou», flüsterte er. «Mein Gott, das ist ja furchtbar, das… das tut mir so leid, Fabiou.»
    «Ich habe ihn eigentlich gar nicht gekannt, Antonius», murmelte Fabiou. «Aber ich habe so viel von ihm gehört, dass es mir so vorkommt, als ob ich ihn gekannt hätte! Als ob er mir nahe steht, in irgendeiner Form, verstehst du? Sie… sie sagen alle, ich sei ihm so ähnlich…» Wieder wischte er sich über die Augen.
    «Wahrscheinlich bist du das auch, Fabiou», sagte Antonius.
    «Wahrscheinlich bist du das wirklich. Ich… ich denke, er wäre stolz auf dich.»
    «Warum?» Fabiou hatte die Stirn auf die Knie gelegt. «Ich habe nichts getan. Nichts hat sich geändert, die Morde sind weiterhin im Dunkeln, und das Ende der Bruderschaft ist so mysteriös wie eh und je. Was habe ich schon erreicht?»
    «Du hast es wenigstens versucht», meinte Antonius.
    «Das ist nicht genug», sagte Fabiou. Er stand auf «Antonius, ich werde das Rätsel lösen. Ich muss es lösen. Ich bin es ihnen schuldig. 887
    Meinem Vater, und Onkel Pierre.» Er wandte sich dem Mönch zu. Sein Gesicht war grau und zuckte. «Hilfst du mir dabei?»
    «Ich…» Jesus, er wollte sich nicht mehr damit beschäftigen. Es hatte lange genug gedauert. Er wollte die Sache abschließen, vergessen, ein für alle Mal! «Ich… ich weiß nicht…»
    «Findest du nicht auch, dass du es jemandem schuldig bist? Joan lou Pastre und Enri Nicoulau zum Beispiel?»
    Antonius rang nach Luft. Die Grabsteine versanken in Schatten.
    «Also gut.» Er rang nach Luft. «Also gut.»
    ***
    Sie hielt erst inne, als die Stadtmauer bereits hinter ihr lag. Dann blieb sie stehen. Der rote Ball der Sonne dicht über dem Horizont verschwamm in Tränen.
    Sie lief. Sanft setzte sich die Sonne auf die Hügel im Westen, verschmolz mit ihrer Kuppe, ein Tropfen Blut, der auf dem Horizont zerfloss, sich auflöste in Dämmerung und Nacht. Hell flackerten die Feuer zur Linken, eine Flöte zirpte durch die Dunkelheit, die Fröhlichkeit eines Sommerabends.
    Jemand erkannte sie. Juana. «Himmel, Kindchen, wie seht Ihr denn aus?»
    Catarino schniefte. «Ist Hannes da?»
    «Hannes – ist drüben in seinem Zelt. Da, hinter dem Hügel.» Sie wies in die entsprechende Richtung.
    Catarino nickte und schniefte und lief weiter.
    Das Zelt lag abseits von den anderen. So als wolle Hannes

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