Die Kinder des Ketzers
ging, als dass er hätte aufstehen können. Tante Beatrix fehlte, da Onkel Philomenus sie, kaum dass sich der Zustand seines Neffen geringfügig gebessert hatte, aus dem Haus geworfen hatte mit der Bemerkung, dass alles weitere ja wohl der Mönch übernehmen könnte, woraufhin Tante Beatrix Bruder Antonius seufzend ihre Anweisungen gegeben hatte und mit einem letzten bitterbösen Blick auf Philomenus gegangen war. Fabiou fehlte ebenfalls. Er hatte das Haus gegen vier Uhr verlassen und war nicht zurückgekehrt. Die Dame Castelblanc war außer sich vor Sorge. Der wird schon sehen, was er davon hat, der kleine Angeber, hatte Onkel Philomenus gebrüllt. Bruder Antonius hatte einen unsicheren Blick auf den friedlich schlafenden Frederi Jùli geworfen und gesagt, ich gehe ihn suchen.
Das Dessert war schon aufgetragen, als ausgerechnet Theodosius-das-Großmaul die ketzerischste aller Fragen stellte und damit den anderen endgültig den Nachtisch verdarb. «Wo ist denn jetzt Onkel Frederi?», fragte er neugierig.
Die Dame Castelblanc begann zu heulen.
Philomenus knallte seinen Löffel auf den Tisch, den er soeben tief in seine Zitronencreme getaucht hatte. «Halt den Mund!», fuhr er seine Schwester an.
«Oh Gott, Frederi, mein Frederi!», schluchzte Madaleno.
«Ich habe gesagt, du sollst den Mund halten!», brüllte Philomenus.
Das Schluchzen brach ab. Starr sah Madaleno auf die geblümte Tischdecke. «Sie werden ihn töten, wie all die anderen», murmelte sie verträumt.
Totenstille. Catarino fiel der Löffel aus der Hand. «Red’ keinen Unsinn!», fauchte Oma Felicitas.
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Tante Eusebia kicherte. Ein seltsamer, hoher, metallischer Laut. «Das ist kein Unsinn!», gluckste sie. «Das ist der Fluch des Verrats.»
Catarino sah auf. Sie starrte Tante Eusebia an.
Madaleno war weiß geworden. «Was… was meinst du damit?», wimmerte sie.
«Gott straft Verräter, Madaleno», sagte Eusebia lächelnd. «Verräter an der wahren Religion.»
«Eusebia, sei ruhig», krächzte Oma Felicitas.
«Warum?» Triumphierend blitzten Eusebias Augen. «Ich habe es satt, Mutter, satt, für sie zu lügen. Dreizehn Jahre lang habe ich es getan, meine arme, arme Schwägerin, verwitwet durch tragische Umstände, das arme, fromme Geschöpf. Und dabei war sie die Hure eines Protestanten. Und das ist ja wohl nicht mal das Schlimmste!»
Catarino war auf den Füßen, bevor ihre Mutter aufschrie und die Hände über den Kopf schlug. «Wie könnt Ihr es wagen, so von meiner Mutter und meinem Vater zu reden!», schrie sie.
«Deine Mutter.» Eusebia leckte genüsslich ihren Löffel ab. «Dein Vater. Das Traumpaar von Ais. So jung, so verliebt, so fromm. So stellst du dir das vor, Catarino, ja? Einen Dreck! Weißt du, wie alt du warst, als du getauft wurdest, richtig getauft? Dreieinhalb Jahre . Ein protestantischer Schweinepriester hat nach deiner Geburt seinen vermaledeiten Segen über dich gesprochen, Catarino, denn deine Mutter hatte unsere Mutter Kirche ebenso verraten wie dein Vater und war zu den gottverdammten Protestanten übergelaufen. Und als dann in dieser Stadt endlich mit dem verfluchten Ketzerpack aufgeräumt wurde, da hat sie es mit der Angst zu tun bekommen, und sie hat deinen Vater fallen lassen und ist mit fliegenden Fahnen in den Schoß der Familie zurückgekehrt. Ich verstehe bis heute nicht, dass Philomenus sie wieder aufgenommen hat.» Sie lächelte. Catarino war weiß wie eine Wand.
«Catarino…», wimmerte die Dame Castelblanc.
«Das ist nicht wahr», flüsterte Catarino.
«Catarino, bitteeee!», schrie Madaleno.
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«Es ist nicht wahr!» In Catarinos Augen lag eine Panik grell wie die Sonne. «Sagt, dass das nicht wahr ist, Mutter! Tante Eusebia lügt! Sagt es!»
«Ich habe ihn geliebt, Catarino», schrie ihre Mutter. «Aber was hätte ich tun sollen? Ich hatte doch euch! Ich musste doch leben!»
«Ihr habt Vater im Stich gelassen», flüsterte Catarino.
«Du verstehst das nicht!» Schrill die Stimme Madalenos. «Wie kannst du das verstehen? Ich war zweiundzwanzig Jahre alt. Ich war kaum älter als du! Sie haben mich vor die Wahl gestellt, abzuschwören oder zu sterben! Und Pierre… Pierre… sie haben…
oh mein Gott… Ich hatte Angst, Catarino, verstehst du? Ich wollte leben, oh Gott, Catarino, ich wollte leben!»
Catarino wich zurück. Einen Schritt. Einen zweiten. Sie stieß
gegen die Anrichte. «Ihr habt Vater im Stich gelassen!», krächzte sie. «Und dann habt Ihr Frederi geheiratet, kaum dass er
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