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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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noch unbesiegt war. Anfang Juni wurde der oberschwäbische Haufen dann bei Königshofen ebenfalls geschlagen. Die Bauern flüchteten in einen Ort namens Giebelstadt, doch das Heer der Verfolger umstellte den Ort und brannte ihn nieder. Zwei meiner Onkel starben in den Flammen, zwei im Graben vor dem Tor, in den sie auf der Flucht vor dem Feuer gesprungen waren. Die Soldaten der Fürsten standen am Rand des Grabens und riefen zu den Eingeschlossenen hinunter, dass sie am Leben lassen 890
    würden, wer den Mann neben sich töte. Der jüngste von Vaters älteren Brüdern wurde von einem Mann erschlagen, mit dem er am Abend vorher noch sein Brot geteilt hatte. Nur mein Großvater, mein Vater und sein ältester Bruder überlebten das Massaker und fielen den Fürstlichen lebend in die Hände, die sofort daran gingen, ihre Gefangenen hinzurichten. Als man sie zum Galgen führen wollte, flüsterte mein Onkel meinem Vater zu, er solle laufen wie der Teufel, stürzte sich auf die Männer, die sie umstanden und riss sie zu Boden. Und so konnte mein Vater entkommen, als Einziger der Familie. Als er wieder zu Hause ankam, war sein Elternhaus von durchziehenden Landsknechten niedergebrannt worden, und von seiner Familie lebte keiner mehr. Also verließ er seine Heimat und zog in die Welt hinaus. Er verdingte sich als Soldat, um einen Lebensunterhalt zu haben. Doch schließlich blieb ihm nichts anderes, als zu stehlen, um mich und meine Mutter zu ernähren. Und so starb er letztlich auf dem Schafott wie sein Vater.» Er zuckte mit den Achseln. Sie schniefte. «Das tut mir leid», schluchzte sie.
    «Ja. Mir auch», sagte Hannes. Er streckte die Hand aus und berührte ihre tränennasse Wange. Sie hob ihre rotgeäderten Augen.
    «Hannes…»
    Er beugte sich nach vorne und küsste sie auf die Stirn. Sie weinte wieder. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. «Ich liebe dich!», schluchzte sie. «Ich liebe dich, Hannes!» Er machte Anstalten, sie von sich wegzuschieben, doch sie klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. «Nimm mich», keuchte sie, «jetzt, sofort.»
    Diesmal wandte er genug Kraft auf, dass er sie wegdrücken konnte. «Catarino…»
    «Nimm mich!», rief sie. «Ich will es! Jetzt!»
    Er schüttelte den Kopf «Nein», sagte er.
    «Aber ich liebe dich!»
    «Unsinn.» Wieder schüttelte Hannes den Kopf «Du liebst mich nicht. Du bist gekränkt und wütend auf deine Eltern. Du willst mit dem erstbesten Mann ins Bett springen, um sie zu bestrafen. Aber morgen wirst du es bereuen, Catarino. Nein.»
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    Sie schrie auf vor Wut und Kränkung. «Verschwinde!», rief sie.
    «Lass mich zufrieden, du Bastard, verschwinde!» Sie schlug heulend auf die Decken unter ihren Knien ein. «Verschwinde!»
    Hannes stand auf «Ich hole dir noch etwas Wasser», sagte er und ging aus dem Zelt.
    Sie zitterte vor Wut, während sie so auf dem Boden kauerte. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so gedemütigt gefühlt. Sie bot diesem Hund ihre Unschuld an, und er wies sie ab! Sie hätte ihn umbringen können! Sie hätte sich umbringen können vor Scham!
    Sie heulte und schimpfte und schlug mit beiden Händen auf den Boden ein, auf dem sie saß.
    Draußen war es dunkel geworden, das Zelt nur noch von einer flackernden Laterne beleuchtet, die von einem Haken am mittleren Stützpfosten baumelte. Von fern her waren die Stimmen der Gaukler zu hören. Catarino saß da mit gerunzelter Stirn und betastete den harten Gegenstand, der sich unter der Decke abzeichnete. Es war eben die Decke, die Hannes im Moment ihres Eintretens über den Boden geworfen hatte. Einen kurzen Augenblick lang zögerte sie, dann schlug sie sie zurück.
    Es war ein Gegenstand aus einem Puppentheater. Nein, eher aus einem Umzug der Carnava. Eine Maske, gearbeitet aus leichtem Holz, die fein geschnittenen Augen, die scharfe Nase, das Relief der Wangen, selbst die Augenbrauen ausgearbeitet bis ins kleinste Detail, und dazu die unglaublich sorgfältige Bemalung, makellos das Weiß des Gesichtes, das zarte Rosé der Wangen, das Schwarz der Brauen und das kräftige Rot der lachenden Lippen, und darüber, schreiend in seiner Intensität, der grelle, tiefrote Blutstropfen, der aus dem rechten Auge fiel, die rechte Gesichtshälfte durchschnitt, um auf dem Kinn auszulaufen.
    Sie war erstarrt. So viele Gedanken, die ihr im Bruchteil eines Augenblicks durch den Kopf schossen. Die Maske mit den blutigen Tränen. Die Maske des

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