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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Santo Anno dis Aupiho», sagte er. «Nicht dass uns dort mehr Gegner erwarten, als wir dachten.»
    «Wir können nicht sofort wieder aufbrechen», meinte der Capitaine kopfschüttelnd. «Die Pferde brauchen noch Ruhe.»
    «Gut, dann lasst ihnen noch etwas Ruhe, aber dann kommt mir nach, so schnell es geht!», sagte der Genevois ärgerlich und ging aus dem Raum. Man hörte die Tür klappen, als er die Hütte verließ. Und Catarino wurde erleuchtet.
    Immer hatte sie sich gefragt, wie sich eine Erleuchtung wohl anfühlte. Jeanne d‘Arc, als sie dem Engel begegnete. Im Grunde war es ein Gefühl, als leerte man ihr einen Eimer warmen Wassers über den Kopf. Nein, nicht über den Kopf. In die Venen. Denk nach, Catarino. Wer sagte das zu ihr? Sie sah keinen Engel und keinen Geist, und doch war es, als habe jemand die Worte laut neben ihr gesprochen. Denk nach. Du kannst es. Du bist die Tochter eines Jahrgangsbesten im juristischen Examen, die Nichte eines Mannes, der Maschinen gebaut hat, die durch die Luft fliegen konnten. Bruder Antonius hat dich Logik gelehrt. Denk nach!
    Sie sah sich um. Ein eiserner Stab, der auf dem Boden lag, ein Brecheisen oder ein Schürhaken oder ein Überbleibsel von wer weiß was. Sie griff danach. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, hier herauszukommen. Sie könnte in den Raum hineinstürzen, dem Capitaine die Eisenstange über den Kopf ziehen und… ach, 914
    Blödsinn. Sie allein gegen fünfzehn Bewaffnete, das war ja wohl ein Witz.
    Denk nach, Catarino, denk nach!
    Sie dachte nach. Sie starrte in die Dunkelheit. Sie begann zu zittern vor Aufregung. Draußen hörte man, wie der Capitaine sich räusperte. «Also gut. Einer von euch macht es.» Wahrscheinlich wies er auf eine Gruppe in der Ecke. «Los.»
    Los!
    Catarino stürzte auf das Pulverfass zu, zerrte den Korken heraus. Es war schwer, sie konnte es nicht anheben, wohl aber gelang es ihr, es zu kippen. Schießpulver rieselte auf den Fußboden. Sie griff hinein, eine Handvoll, die sie in der Mitte des Raumes auf den Boden leerte. Dann der Schlauch mit dem Lampenöl. Sie goss eine kleine Pfütze neben das Schießpulver. Sie goss eine größere Menge über das Pulverfass. Sie riss einen Streifen Stoff aus ihrem Rock und knotete ihn um einen Holzscheit. Dann tränkte sie auch den Stoffstreifen mit Öl. Keuchend stand sie da, beide Hände um die Eisenstange geklammert. Dann holte sie aus und schlug die Stange mit aller Kraft in das Schießpulver auf dem Boden. Vor der Tür war Bewegung. Der Henker war ausgewählt worden. Sie konnte sich vorstellen, wie er auf Hannes zuschritt, das Kurzschwert in der Hand. Wieder schlug sie zu, und ein drittes Mal. Eine blaue Stichflamme, und die Ölpfütze stand in Flammen. Sie musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut zu brüllen vor Triumph. Sie tauchte den Holzscheit in die Flammen, die selbstgebastelte Fackel brannte ruhig und gleichmäßig. Sie lief auf die Tür zu. Mit der freien Hand drehte sie den Ölschlauch um und sah zu, wie das Öl in dicken, schwarzen Rinnsalen unter der Tür durchsickerte. Es war Wahnwitz. Es würde nie funktionieren. Es würde mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit ihren Tod bedeuten. Doch sie verspürte keine Angst. Nur unglaublichen Stolz darüber, dass sie so eine Idee gehabt hatte.
    Auf der anderen Seite der Tür stand der Landsknecht breitbeinig vor Hannes und hob sein Schwert.
    Catarino tauchte die Fackel in das Öl an der Türschwelle. 915
    Es gab ein Geräusch. Wusch. Sie hörten es, vielleicht rochen sie auch den Rauch. «He!», sagte jemand, Unruhe brach aus. Es musste ein eindrucksvoller Anblick sein, feurige Finger, die sich unter der Tür durchschoben.
    «Verdammt.» Sie hörte, wie jemand auf die Tür zustürmte. Ihre rechte Hand hob den halb leeren Schlauch mit Lampenöl und setzte ihn an die Lippen. Als der Riegel zu quietschen begann, ließ sie das Öl in ihren Mund laufen, wie sie es damals im Lager der Gaukler gesehen hatte. Es schmeckte furchtbar.
    Die Tür flog auf.
    Catarino riss die Fackel vor ihr Gesicht und prustete. Er stolperte zurück vor der vorschießenden Flamme, die Hände schreiend vors Gesicht gepresst. Catarino drehte sich um und warf die Fackel in die Ölpfütze um das Pulverfass. Dann rannte sie. Stieß den brüllenden Mann beiseite, stürzte vorbei an all den Gesichtern, die sie entgeistert anstarrten, vorbei an dem Capitaine, der plötzlich kreideweiß war und mit schriller Stimme brüllte:
    «Raus hier!» Sie sprang nach

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