Die Kinder des Ketzers
sich in seinen Händen. «Hübsches Stück», bemerkte er. «Die lachende Maske mit dem weinenden Auge. Dem Blut weinenden Auge. Wie symbolisch.»
Er ging vor Hannes in die Knie und sah ihm lange und direkt in die Augen. «Du hast dich über mich lustig gemacht, Freundchen», sagte er. «Ich mag es nicht, wenn man sich über mich lustig macht. Und noch weniger mag ich es, wenn man mir einen Strich durch die Rechnung macht.» Er seufzte leise und legte den Kopf zur Seite.
«Ich mache dir einen Vorschlag, Annes. So heißt du doch, Annes, nicht wahr? Du erzählst mir, warum du mir nachspioniert hast, und ich lasse dich vielleicht am Leben. Was hältst du davon?»
Hannes legte den Kopf in den Nacken. Er lachte.
Der Genevois schüttelte den Kopf. «Er findet das komisch, Capitaine», sagte er zu dem Mann an seiner Seite. «Vielleicht solltet Ihr ihn davon überzeugen, wie wenig lachhaft die Situation ist, in der er sich befindet.»
«Ich habe Euch nervös gemacht, nicht wahr?» Hannes’ Augen funkelten. «Der große Genevois zittert vor einem kleinen Gaukler. Das ist erniedrigend, ich sehe es ein. Und wisst Ihr, was das wirklich Lustige daran ist?»
Der Genevois hatte sein Messer aus der Scheide gezogen, betastete gedankenverloren die blinkende Schneide. «Was? Was ist so lustig?»
«Das Lustige ist, dass ich es gar nicht bin, vor dem Ihr Angst haben solltet», sagte Hannes lächelnd.
Das Messer funkelte. Catarino konnte die Augen des Genevois darin sehen. Augen wie ein Winterhimmel so kalt. «Ach. Und vor wem sollte ich deiner Meinung nach Angst haben?»
Seltsam, dieses Lächeln auf Hannes’ Gesicht, so unantastbar, so völlig unberührt durch die mörderischen Blicke, die ihn von allen Seiten durchbohrten, von dem Brüllen aus der hintersten Ecke, schlagt diesem Dummschwätzer doch die Fresse ein, dann wird ihm sein blödes Grinsen schon vergehen! «Das wisst Ihr doch selbst ganz genau, Monsieur », sagte er freundlich.
«Verflucht.» Das war der Capitaine. «Mir reicht’s jetzt mit deinen Spielchen, du kleiner Drecksack! Du rückst jetzt mit der Sprache ‘raus, was die ganze Scheiße hier soll, oder ich breche dir alle 908
Knochen!» Böser wurde Hannes’ Lächeln, verächtlicher, seine schillernden Bernsteinaugen in den Blick des Genevois gebohrt.
«Natürlich wisst Ihr es», sagte er, «Ihr wisst, dass irgendwo Euer Schicksal auf Euch wartet, so wie auf Cäsar ein Brutus gewartet hat und auf Hannibal ein Scipio. Man weiß es, nicht wahr? Jeder Mensch fühlt, wenn seine Stunde gekommen ist.»
Der Kahle schwieg. Catarino presste zähneklappernd ihr Auge gegen das Schlüsselloch. «Verdammt, Schluss jetzt mit diesem Müll, du Pestbeule, du miese, sonst schlagen wir dich zu Brei!», brüllte der Capitaine, der Hannes an den Haaren gepackt hatte und Anstalten machte, seine Drohung in die Tat umzusetzen, doch ein kalter Blick aus den Augen des Genevois ließ ihn innehalten. «Das Schicksal, ja?», sagte der Kahle langsam. «Was meinst du damit?»
Da war ein Triumph in Hannes’ Blick, so schwindelerregend und berauscht, dass Catarino übel wurde, und mit einem Lachen, das ihr eine Gänsehaut über die Arme jagte, sagte er: «Carfadrael ist zurückgekehrt.»
Stille. Jemand stellte einen Weinkrug auf einer Holzplatte ab, Catarino konnte ihn nicht sehen, sie hörte nur das dumpfe Geräusch und das Schwappen von Flüssigkeit. Der Capitaine hatte Hannes’ Haare losgelassen und war einen Schritt zurückgetreten. Der Genevois spielte mit seinem Messer. Sein Gesicht war eine Maske der Konzentration. Dann lachte er leise auf. «Carfadrael ist tot», sagte er.
«Er ist tot, ja. Aber er hat einen Nachkommen hinterlassen», sagte Hannes mit leuchtenden Augen. «Ihr habt einen großen Fehler gemacht, ihr alle. Ihr habt uns unterschätzt. Wir haben nicht vergessen, keiner von uns, selbst die nicht, die glauben, vergessen zu haben. Und jetzt ist die Zeit der Vergeltung gekommen.»
Langsam, nachdenklich schüttelte der Kahle den Kopf. «Ich habe es geahnt», murmelte er. Er stand auf. Er war groß, fiel Catarino auf, riesig. Er überragte den Capitaine um einen guten Kopf.
«Was?», fragte der Capitaine stirnrunzelnd. «Was habt Ihr geahnt?»
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Der Genevois winkte ab. «Es ist gut», sagte er mit einem müden Lächeln. «Wir brauchen den Gaukler nicht mehr, Capitaine. Bringt ihn um.»
***
Der Weg war endlos, dunkel und ging steil bergab. Mergoult hatte ihnen eine Fackel in die Hand gedrückt; sie flackerte
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