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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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und zuckte im Luftzug, der durch den Tunnel fuhr wie durch einen Kamin, während ihr Licht die Wände bemalte. Schattentheater. In Paris hatten sie das geliebt. All diese frivolen Geschichtchen aus Kerzenschimmer und Schatten, in die im entscheidenden Moment alles zerfloss, den Zuschauer seiner Fantasie überlassend. Jetzt jagten sie an ihrer Seite durch die Endlosigkeit jenes Tunnels, Pferde im Galopp, rasende Wölfe, fliehende Einhörner, ein Raubvogel im Sturzflug. Seine Glieder waren weich wie Butter, an seinen Füßen schienen Bleigewichte zu hängen. Es war Arnac, der ihn vorwärts zog, ihn davon abhielt, einfach gegen die Wand zu sinken und darauf zu warten, dass man ihn fand, Arnac, der sich mit wahrhaft phänomenaler Willenskraft auf den Beinen hielt und den Tunnel hinunterstolperte.
    Dann rochen sie die Abendluft. Hatte er je zuvor einen Geruch so süß, so verführerisch empfunden? War je ein anderer Abend so schön gewesen, eine Welt aus purem Gold, die sich vor ihnen ausspannte, ein strahlendes Himmelszelt, das sich über einer endlosen Ebene wölbte, blau und glänzend wie ein Saphir, durchbrochen durch das silberne Funkeln der ersten Sterne, im Rücken der Lubéron, über den sich der Große Wagen neigte wie ein Füllhorn, und vor ihnen der strahlende Fächer der Cassiopeia? Perfekt, die Welt ist perfekt, dachte Sébastien. Er hätte weinen können, nur der Perfektion der Schöpfung wegen.
    Estève de Mergoult hatte Wort gehalten. An einem Baum festgemacht standen die Pferde, ihre Waffen waren über den Sattelknauf gehängt. Das Tier schnaubte zur Begrüßung, als Sébastien mit der Hand nach seiner Mähne tastete und sein Gesicht gegen den Hals des Pferdes presste. Er hatte das Gefühl, zu fallen, zu versinken in einer Unendlichkeit des Glücks.
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    «Sébastien! Himmel, steig auf!» Arnacs Stimme, die ihn abermals aus seiner Erschöpfung zerrte. Unter Aufbietung all seiner Kraft zog Sébastien sich in den Sattel und angelte fahrig nach den Zügeln. «Komm», sagte Arnac und trieb sein Pferd an. Sébastien holte tief Luft und folgte ihm, der Ebene zu.
    Die Sonne berührte den Horizont, als sie die Durenço erreichten, und über dem Fluss lag der fahlblaue Glanz der Dämmerung. Sie ließen sich von den Pferden rutschen und stolperten auf das Ufer zu. Die Durenço hatte an dieser Stelle nur eine niedrige Böschung, die Sommerhitze hatte den Flusslauf halb austrocknen lassen; in zwei schmalen Bächen rann das Wasser durch das sandige Flussbett. Sie ließen sich die Böschung herunterrutschen und stolperten durch den heißen Sand, bis ihre Füße ins seichte Wasser planschten. Arnac fiel auf die Knie, schöpfte mit beiden Händen Wasser in seinen Mund. Sébastien wollte es ihm gleichtun, doch in diesem Moment wurde ihm wieder bewusst, wie ekelhaft schmutzig er sich fühlte, und er ließ sich einfach der Länge nach ins Wasser fallen. Arnac starrte ihn einen Augenblick lang verständnislos an, dann folgte er seinem Beispiel.
    Später saßen sie am anderen Ufer der Durenço im Gras, triefend vor Nässe, und Sébastien starrte ungläubig auf seine bebenden Hände, in deren Gelenke tiefe, blutende Furchen eingegraben waren. Dann, ganz langsam, wandte er sich Arnac zu, blickte in dessen verschwollenes, graues Gesicht, in dem die einzige Farbe das düstere Rot der Schnittwunde quer über seine Stirn war. Einen Moment lang starrten sie sich so an. Dann schlang Sébastien seine Arme um Arnac und drückte ihn an sich, während ein Kloß seinen Hals hinaufstieg und Tränen aus seinen Augen schossen und er zu schluchzen begann wie ein kleines Kind. Arnac erwiderte die Umarmung, und Sébastien hatte fast das Gefühl, dass er ebenfalls weinte.
    Es war Arnac, der ihn schließlich beiseiteschob und mit wackligen Knien auf die Füße stolperte. «Wir müssen weiter», krächzte er heiser. «Zurück nach Ais.»
    ***
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    Das Abendessen wurde in absolutem Stillschweigen eingenommen. Cristino schwieg, weil sie nicht wusste, worüber sie mit Degrelho hätte reden sollen, und weil es sich für eine junge Dame, die bei fremden Leuten zu Gast ist, schließlich auch so geziemt. Doch auch die beiden Degrelhos schwiegen. Archimède sah kaum von seinem Teller auf, während er langsam, gemessen das Fleisch kaute. Victor säbelte auf seinem Teller herum, als ob er einen tödlichen Hass gegen seinen Schweinebraten hegte. Das Messer quietschte schrill auf dem Silber. Es klang wie das Kreischen einer verlorenen Seele. Schließlich,

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