Die Kinder des Ketzers
unter dem Namen seines Sohnes großgezogen. Da Couvencour und sein Sohn fast zwei Jahre nicht in der Gegend waren, fiel niemandem etwas auf. Man muss sich allerdings fragen, wieso gibt Couvencour ein fremdes Kind als seinen toten Sohn aus? Wohl um dieses Kind zu verstecken, nicht wahr? Und ich muss sagen, dass mir da ein wahrhaft ungeheuerlicher Verdacht kam.» Vascarvié lächelte genüsslich. «Ein Kind auf der Flucht. Ein Kind, das von der Gerichtsbarkeit gesucht wird. Ein Kind, das 1545 etwa acht Jahre alt ist. Und das sich im Haushalt von Rouland de Couvencour versteckt, der bekanntermaßen eine Schwäche für die unteren Schichten hat. Na, wer fällt einem da ein?»
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Onkel Philomenus stand der Mund offen. «Der junge Nicoulau?», fragte er entgeistert.
Vascarvié nickte zufrieden. «Der junge Nicoulau», bestätigte er.
«Und dass dieser der Hauptverdächtige für unsere Morde ist, dürfte ja allgemein bekannt sein.»
Wieder Stille. Crestin starrte mit zusammengepressten Lippen auf die Straße. Sébastiens Mund stand offen wie ein Scheunentor. Dann sprach Fabiou. «Entschuldigt, Docteur Vascarvié, dass ich Euch widersprechen muss, aber Arnac de Couvencour ist nicht Enri Nicoulaus Sohn», sagte er.
Vascarvié schenkte Fabiou einen dieser was-mischst-du-dichda-ein-Blicke. «Baroun, ich denke wirklich nicht, dass Ihr in der Lage seid, dies zu beurteilen», meinte er. Er wandte sich zu Crestin um. «Viguié, wir müssen…» Er brach ab. «Nanu», sagte er erstaunt mit Blick auf die beiden abgerissenen, rußbedeckten Gestalten, die plötzlich hinter ihm auf dem Hof standen. Auch die anderen hatten sie jetzt entdeckt. Tante Eusebia winkte angewidert. «Ihr da – weg da, weg!», schimpfte sie.
Madaleno stieß einen Schrei aus. «Catarino!»
Fabiou blinzelte. Es war Catarino, in der Tat, aber wie seine Mutter sie so schnell erkannt hatte, war ihm schleierhaft. Von dem Kleid, das sie heute getragen hatte, waren nur mehr versengte, rußschwarze Fetzen übrig, ihr Gesicht war mit einer gleichmäßigen Mischung aus Schmutz, Ruß und Blut verschmiert, und darum rankte sich wie eine angekokelte, zusammengeschnurrte Kappe der Rest ihrer Frisur.
«Catarino!» Die Dame Castelblanc war ihrer Tochter ohne Rücksicht auf ihr eigenes Kleid um den Hals gefallen. «Catarino, was ist passiert? Oh Gott, Kind, Kindchen, geht es dir gut?»
«Es geht mir hervorragend, Mutter», meinte Catarino. «Was ist hier los?»
«Oh Gott, Catarino, sie sagen, Cristino sei in Gefahr. Und Arnac de Couvencour ist in Wirklichkeit der junge Nicoulau und hat die Morde begangen, und er ist jetzt Cristino hinterhergeritten – sicher will er sie töten!», kreischte ihre Mutter. Catarino löste die Arme ihrer Mutter von ihrem Hals. Sie hatte die Stirn gerunzelt. «Mutter, das ist doch Blödsinn», sagte sie. 930
«Nein! Eben nicht! Docteur Vascarvié hat es uns gerade gesagt!»
Sprachlos drehte Catarino sich zu Vascarvié um. Dann schüttelte sie heftig den Kopf «Docteur Vascarvié», rief sie, «Ihr irrt Euch!
Arnac de Couvencour ist nicht der junge Nicoulau!»
Vascarvié schien langsam etwas genervt ob der Bèufort’schen Geschwister zu sein und beschloss, mit seinen Anweisungen an den Viguié fortzufahren. «Viguié», erklärte er, «Ihr schickt sofort Eure Männer in alle Himmelsrichtungen los, meinetwegen auch in Richtung dieses gottverdammten Santo Anno dis Aupiho. Sie sollen überall verkünden, dass Arnac de Couvencour wegen Ketzerei und Mordes gesucht wird und, wo immer er auftaucht, unverzüglich festzunehmen ist. Tot oder lebendig! Ach – und geht augenblicklich zum Haus des alten Couvencour und lasst ihn verhaften. Er hat einem gesuchten Verbrecher Unterschlupf gewährt. Das ist strafbar», meinte Vascarvié selbstzufrieden.
«Aber… aber… Ihr macht einen furchtbaren Fehler, Docteur Vascarvié!», rief Catarino aus. «Arnac ist nicht der junge Nicoulau!
Er kann gar nicht der junge Nicoulau sein!»
«Ach. Und warum nicht, junge Dame?», fragte Vascarvié mit erzwungener Ruhe.
Sie schickte hilfesuchende Blicke in sämtliche Richtungen. Bruder Antonius schüttelte den Kopf. Fabiou schüttelte den Kopf.
«Weil… weil…» Sie brach ab, sah Vascarvié nur verzweifelt an. Jemand trat vor, schob sich zwischen sie und Vascarvié, den er mit einer seltsamen, deplatzierten Ruhe ansah. Es war Hannes.
«Ich bin der junge Nicoulau», sagte er.
Man hätte auf dem überfüllten Hof eine Stecknadel fallen hören können.
Dann
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