Die Kinder des Ketzers
räusperte sich Vascarvié. Das Erstaunen und die Blamage in seinem Gesicht wichen in einem beispiellosen Prozess binnen fünf Sekunden einem triumphalen Grinsen. «So. Na, das ist ja eine Überraschung», sagte er. «Los, ergreift ihn.»
Crestin stand und starrte Hannes an. Laballefraou stand und starrte Crestin an. Keiner von beiden rührte sich. Anders dagegen Alest. Auch wenn das nicht in seine direkte Zuständigkeit fiel. Offensichtlich machte es ihm einfach Spaß, Leute zu verhaften. 931
Ein Wink von ihm, und seine Männer hatten sich auf Hannes gestürzt.
Antonius schrie auf. «Lasst ihn in Ruhe!», rief er. «Im Namen Gottes! Lasst ihn los!»
Beatrix und Fabiou reagierten gleichermaßen, packten ihn an den Armen und hielten ihn in letzter Sekunde davon ab, dem Capitaine der Inquisition eins auf die Nase zu geben. «So kannst du ihm nicht helfen, du handelst dir bloß selbst Ärger ein, versteh doch!», zischte Beatrix ihm zu. Bruder Antonius wehrte sich schwach gegen ihren Griff. Er war den Tränen nahe. Fabiou stand vor Hannes und sah zu, wie Alests Männer ihm die Hände fesselten. «Warum hast du das getan?», fragte er ungläubig.
«Es kann doch nicht angehen, dass Unschuldige für mich verfolgt werden», sagte Hannes leise.
«Also, schafft ihn hinter Gitter!», rief Vascarvié begeistert. «Und sagt in der Conciergerie Bescheid, dass wir ein schnelles Geständnis benötigen. Das Parlament wird langsam ungeduldig, was die Morde betrifft.» Er wandte sich zum Gehen.
«Docteur Vascarvié, was ist mit meiner Schwester?», rief Fabiou.
Vascarvié hatte die Stirn gerunzelt. «Was soll mit ihr sein?»
«Sie ist in Santo Anno dis Aupiho. Und wir sind uns sicher, dass ihr Gefahr droht. Dass sie ermordet werden soll.»
«Santo Anno dis Aupiho?», kreischte Catarino. «Oh Gott… das hat er gemeint!»
«Wer?», fragte Fabiou alarmiert.
«Der Genevois! Er ist auf dem Weg nach Santo Anno dis Aupiho! Mit seinen Landsknechten!», schrie Catarino.
«Santo Anno dis Aupiho! Ich kann es nicht mehr hören mit diesem Santo Anno dis Aupiho!», rief Vascarvié aus. «Und im Übrigen braucht Ihr um Eure Schwester keine Angst mehr zu haben
– der Mörder ist schließlich dingfest gemacht.»
«Aber Docteur Vascarvié…»
«Schluss jetzt! Wir gehen!» Vascarvié schritt vom Hof. Alest und seine Männer folgten, Hannes mit sich schleifend. Crestin 932
starrte Fabiou einen Moment lang stumm an, dann lief er ihnen nach.
«Das könnt ihr nicht zulassen!», schrie Catarino ihre Familie an. «Hannes ist unschuldig an den Morden! Ihr könnt nicht zulassen, dass sie ihn umbringen!» Verständnislose Blicke waren die Antwort. Catarino stieß einen wütenden Fluch aus, der ihre Mutter erblassen ließ, und rannte den Ordnungshütern nach. Bruder Antonius schob Beatrix beiseite und folgte ihr.
Fabiou war stehen geblieben und nagte gewaltsam auf seiner Unterlippe herum, während er vergeblich nach einer Idee suchte, wie Hannes zu helfen war. Schließlich wandte er sich um, seiner Familie zu. Madaleno lamentierte wieder, Cristino, meine Cristino, jammerte sie. Oma Felicitas murmelte Unverständliches und klopfte dabei mit ihrem Stock auf den Boden. Tante Eusebia bekreuzigte sich theatralisch, wobei sie eine ganze Litanei von Heiligen um ihren Beistand anflehte. Frederi stand am Tor, die Hand gegen die Mauer gelegt auf der Suche nach einem Halt für seine gequälte Seele.
Fabiou trat auf ihn zu. «Vater!», sagte er.
Frederi sah sich um. Er zitterte. Seine Augäpfel zuckten wirr unter den schweißverklebten Brauen.
«Wir müssen etwas tun!», sagte Fabiou. «Wir müssen zu Cristino! Wir können doch nicht zulassen, dass sie sie umbringen! Vater, hört Ihr mich?» Frederis Gesicht wirkte so wirr und so zerstreut, dass er daran erhebliche Zweifel hegte.
Frederi schüttelte ruckartig den Kopf. «Keiner… hat eine Chance gegen sie. Keiner.» Er presste die Hand gegen die Stirn. Er sah aus, als ob er sich jeden Moment übergeben würde.
«Verdammt, wir müssen es doch wenigstens versuchen!», rief Fabiou. «Vater, Himmel, es geht hier um Cristino! Eure Tochter Cristino! Und sie wird sterben, wenn wir nichts tun!»
Gehetzt wandten sich ihm Frederis Augen zu. «Du weißt nicht…
wozu sie in der Lage sind, wenn sie jemanden vernichten wollen…», stammelte er.
«Oh Gott, Vater, redet keinen Blödsinn! Ich weiß sehr wohl, was das für Leute sind! Ich weiß sehr wohl, wie mein Vater und mein Onkel gestorben sind! Aber
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