Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
Sternen am Firmament empor und fragte sich, wie eine Welt, in der so schreckliche Dinge geschahen, so schön sein konnte.
    «Es tut mir leid», sagte Hannes schließlich.
    «Was?»
    «Dass ich dich da mit hineingezogen habe. Ich habe dir alles kaputtgemacht.»
    «Nein», sagte sie. «Nein, das ist nicht wahr. Es ist gut so. Ich bin froh, dass ich jetzt die Wahrheit kenne.» Sie starrte mit leeren Augen in die Nacht. «Ich muss es ihnen sagen.»
    «Wem?»
    «Cristino. Und Fabiou. Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren.»
    Hannes schüttelte langsam den Kopf. «Die werden mich jagen wie ein Tier, wenn es bekannt wird.»
    «Ich sage es nur Cristino und Fabiou», erklärte Catarino. «Sie werden dich nicht verraten. Bestimmt nicht.»
    Er seufzte resigniert. «Also gut.»
    Sie waren nicht weit von der Stadt entfernt. Die Hütte, in der man sie gefangengehalten hatte, war ein Stück abseits der Straße Richtung Sant Canat gelegen, und von dem Hügel aus konnte man bereits die Lichter des Gauklerlagers flackern sehen. Sie liefen los und erreichten das Lager nach einer knappen halben Stunde. Catarino nahm am Feuer Platz, während Hannes mit Malou in dessen Zelt verhandelte. Alle Gespräche, alle Tätigkeiten waren unterbrochen, stumm umstanden die Gaukler Catarino, keiner sprach sie an, keiner sagte ein Wort. In ihren Gesichtern lag so etwas wie Ehrfurcht.
    Hannes kehrte zurück. Hinter ihm kam Malou auf seine Krücken gestützt aus dem Zelt gehumpelt. Er sagte nichts, blickte Hannes nur stumm hinterher.
    923
    «Sie werden aufbrechen», sagte Hannes zu Catarino.
    «Warum?»
    Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. «Für alle Fälle. Falls sie mich erwischen, wird man sie als meine Komplizen ansehen. Das fahrende Volk ist schließlich immer an allem schuld. Ich treffe sie übermorgen früh an einem verabredeten Ort. Falls ich…», er holte tief Luft, «falls ich bis zum Morgengrauen nicht da bin, ziehen sie ohne mich weiter.»
    «Hannes, du musst nicht mitkommen. Ich kann es auch alleine tun», sagte Catarino.
    Er schüttelte den Kopf. «Nein», sagte er. «Es betrifft uns beide.»
    Er warf einen Blick in die Runde. «Wünscht mir Glück, Freunde», meinte er mit einem erzwungenen Lächeln. «Komm, Catarino.»
    Sie stand auf. Die Gaukler wichen auseinander und gaben eine Gasse frei, durch die Hannes und Catarino hindurchliefen. Wie eine Ehrenwache am Friedhofstor, dachte Catarino. Sie erwartete fast, dass irgendjemand Salut schoss.
    Vor ihnen ragten die Stadtmauern von Ais in den nachtschwarzen Himmel. Catarino fuhr sich mit der Hand durch die abgesengten Haare. Die Spitzen waren zusammengeschmort, ein Gefühl, als fasse man in ein Knäuel aus Draht. Die Berührung schmerzte etwas; ihre Hände waren feucht vor Wundsekret, die Haut löste sich in Fetzen von ihren Handrücken ab, über die der Feuerstoß
    hinweggegangen war. Es störte sie nicht. Es war wie bei einer Schlange, die ihre alte Haut abwarf.
    Der Aufbruch in ein neues Leben.
    ***
    Ein unbedarfter Beobachter wäre an diesem Abend vermutlich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass im Haus der Aubans Freibier ausgeschenkt wurde, in Anbetracht der Massen von Leuten, die dort in der nächsten halben Stunde eintrafen. Die ersten waren Fabiou und Bruder Antonius. Beatrix, die auf dem Weg zu ihrem Patienten war, folgte ihnen so dicht auf dem Fuß, dass sie beinahe gegen sie geprallt wäre, als Fabiou und Antonius beim Anblick der versammelten Familie vor der Tür überrascht stehen blieben. «Was 924
    ist denn hier los?», fragte sie erstaunt. Dann entdeckte sie Bruder Antonius. «Wo wart Ihr?», fragte sie ärgerlich. «Ihr hattet doch versprochen, bei Frederi Jùli zu bleiben!»
    «Es ging ihm doch gut, und ich musste etwas erledigen…», verteidigte Bruder Antonius sich lahm. «Mein Gott, auf niemanden kann man sich… sagt mal, was ist hier eigentlich los?»
    «Mein Gott. Sébastien», flüsterte Fabiou.
    «Fabiou!» Sébastien kam auf ihn zugestolpert. «Ein Glück, dass du da bist!» Er war weiß wie eine Wand.
    «Sébastien, was ist los, wo ist Arnac, was ist passiert, Himmel, was haben die mit euch gemacht?», sprudelte Fabiou sämtliche Fragen hervor, die ihm in diesem Moment durch den Kopf schossen. Sébastien hob hilflos die Arme. «Ich… er… ich weiß nicht. Etwas ist passiert, Fabiou, aber ich weiß nicht, was! Arnac hat gehört, dass Cristino mit Degrelho weg sei, und ist ohne jede Erklärung losgeritten, nach Santo Anno dis Aupiho wolle er,

Weitere Kostenlose Bücher