Die Kinder des Ketzers
griff an. Es gab ein Singen wie von einer angeschlagenen Saite, als die Klingen aneinander vorbeiglitten und Louise und der Genevois wie in der seltsamen Version einer Gaillarde am anderen entlang wirbelten. Dann folgte eine Sekunde tödlicher Stille, als sie sich gegenüber standen, Louise Degrelho d’Astain und Maximilien Dutrout, die Klingen im Anschlag, die Augen ineinandergebohrt, zwei Schachspieler, die in Windeseile die nächsten Züge des anderen überschlagen, und Archimède Degrelho umkrampfte seinen Degen, und Cristino schlug schluchzend auf die Tapetentür ein, und der Kampf ging los.
Es war Cristino unmöglich zu erkennen, was eigentlich geschah, welche Klinge es war, die da zustieß, wessen Blut gegen die Wand spritzte, verständnislos starrte sie auf die ineinander verzahnten Gegner wie auf ein einziges, vielarmiges Wesen, das im Zentrum des Sternes rotierte wie ein Kreisel, verständnislos hämmerten ihre Hände auf die dumpf hallende Tapetentür, und Archimède 965
Degrelhos Gesicht verlor seine Farbe, während er Louise anstarrte, die über den Stern wirbelte wie eine Erscheinung aus seinen schlimmsten Albträumen, Hector Degrelho, auferstanden von den Toten, und fester umklammerte er den Degen, als wäre es ein Halteseil, das ihn davon abhielt zu stürzen. Cristino sank gegen die Tür und weinte.
Louise. Bitte Louise! Ich will nicht sterben!
Und Archimède Degrelho lief. Er stieg über den ächzenden Landsknecht hinweg, und über seinen bewusstlosen Kumpanen. Er krampfte die Hand um den Degen, schweißnass war der Griff. Dann blieb er stehen, so nah bei den Kämpfern, dass er den Luftzug der Klingen spürte. Und wartete.
Wartete darauf, dass Louises Bewegungen langsamer wurden, ihre Schläge schwächer, der rasende Schmerz in ihren Rippen in ihr Bewusstsein drang. Wartete, bis sich die Klingen der Gegner ineinander verbissen und der Genevois Louise rückwärts schob, wohlwissend, dass sie es zwar an Geschicklichkeit und Schnelligkeit, niemals aber an Körperkraft mit ihm aufnehmen konnte. Wartete, bis Louise gegen die Wand neben der Tapetentür krachte, den Degen gegen die Klinge des Genevois gestemmt, ihr restlicher Körper vollkommen schutzlos.
Dann stieß er zu.
Louise erstarrte in der Bewegung. Der Degen sank nach unten. Der Genevois stieß einen Schrei aus, ein Schrei der Wut und der Enttäuschung über den gestohlenen Triumph. Und Louise stand gegen die Wand gelehnt, und ihr Kopf sackte nach unten, und starr blickten ihre leeren Augen auf die glitzernde Klinge, die ihren Brustkorb durchbohrte und sie gegen die Wand heftete. Cristinos Hände klopften schwach gegen die Tür. Sie wimmerte leise.
«Warum habt Ihr das getan?», schrie der Genevois. «Habt Ihr wirklich gedacht, ich könnte diesen Kampf verlieren? Gegen ein Mädchen?»
Archimède Degrelho antwortete nicht. Seine Hand lag auf dem Griff der Waffe, mit einem seltsamen, erschöpften Lächeln blickte er auf Louise, die fortfuhr, mit ungläubigen Augen auf die Klinge zu starren, die durch ihren Körper gestoßen war. Dann hob sich 966
Louises Blick, tastete sich mühsam nach oben, bis er Degrelhos Gesicht erreichte, und ihre Lippen verzerrten sich, eine böse, hasserfüllte Grimasse. Sie lächelte. «Echt Onkel Archimède», sagte sie, wie Sand knirschten die Worte über ihre Lippen. «Ehrlich und ritterlich wie immer.» Und mit einer blitzschnellen Bewegung hatte sie Degrelho den Fuß gegen die Brust getreten.
Archimède Degrelho riss den Degen mit sich zurück, als er rückwärts flog. Louise wirbelte herum, und Cristino schrie, als ein Schwall von Blut auf ihr Kleid klatschte. Und Louises Klinge schoss nach vorne.
Der Genevois kam nicht mehr dazu, den Degen hochzureißen. Starr stand er in der Mitte des Sternes, unter der Gewölbedecke, die so hoch wie eine Kirche war, starr krallte sich seine Hand in seine Brust, während Blut in dicken Tropfen über seine Finger rieselte. Der Degen klirrte auf den Boden, schlitterte über das Mosaik, kam quietschend an der Wand zum Liegen. Dann stürzte er. Louise war herumgefahren. Der Arm mit dem Degen war ausgestreckt, Blut rieselte wie ein roter Schleier von ihrem Ärmel herab, und die Spitze der Klinge lag an Degrelhos Kehle. «Du hast mich einen Ketzer genannt, Onkel Archimède», keuchte sie. «Als guter Katholik gebe ich dir jetzt noch die Zeit, ein Ave Maria zu beten, bevor ich dich töte.»
Es war ziemlich still jetzt. Der Körper des Genevois zuckte in einem Krampf zusammen,
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