Die Kinder des Ketzers
streckte sich dann langsam aus auf dem Mosaik. Cristino schluchzte leise.
Schritte auf dem Gang. Jemand kam um die Ecke gewankt, tappte auf wackelnden Beinen auf sie zu. Es war Victor. Aber er war nicht allein.
***
Erst als sie die ersten Gehöfte von Eigaliero erreichten, begriffen Frederi de Castelblanc und Rouland de Couvencour, dass sie die Abzweigung nach Santo Anno dis Aupiho verpasst hatten. Was zur Folge hatte, dass sie sich erst einmal in die Haare bekamen. «Du hast gesagt, du kennst den Weg», schimpfte Frederi, und Rouland meckerte: «Ich war hier das letzte Mal vor zwanzig Jahren, da gab’s 967
all diese Bäume ja noch gar nicht, und wenn da auch kein Schild ist!» «Ach, kein Schild, ja», schrie Frederi, «na toll, wenn wir Archimède erwischen, bevor er Cristino umbringt, werden wir ihn bitten, eins aufzustellen!»
Schließlich räusperte sich Fabiou und fragte, ob diese Brüllerei Cristinos Rettung zuträglich sei, und Frederi und Rouland schenkten sich noch einen letzten bitterbösen Blick und wendeten ihre Pferde.
Sie jagten zurück durch die Nacht. Es war stockdunkel auf der Straße. Fabiou betete seit vier Stunden, dass sein Pferd bessere Augen hatte als er und es vermeiden würde, in ein Schlagloch zu treten und sich und ihm den Hals zu brechen. Sébastien war jenseits derartiger Fragestellungen. Er hing mehr oder minder im Halbschlaf im Sattel. Irgendwann parierte Rouland de Couvencour sein Pferd. «Da, dort ist es!», rief er aufgeregt und wies auf einen Weg, der nach rechts abzweigte.
«Hört Ihr das?» Sébastien schreckte hoch.
Sie lauschten in die Dunkelheit.
«Da kommt jemand», stellte Fabiou scharfsinnigerweise fest. Rouland de Couvencour riss seinen Degen aus der Scheide. Sébastien folgte benommen seinem Beispiel. Drei Reiter kamen auf sie zugalloppiert, parierten hastig ihre Pferde, als sie sie erblickten. «Da ist jemand!», schrie eine helle Stimme.
Fabiou stand der Mund offen. «Catarino?»
«Fabiou? Was machst du denn hier?», rief seine Schwester erstaunt.
«Das könnte ich dich fragen!» Frederi klang etwas ärgerlich.
«Was in aller Welt treibst du dich hier in der Nacht herum? Und wer sind die anderen?»
«Ich bin’s, Cavalié, Bruder Antonius», meldete sich der Mönch.
«Und… ähm…»
«Hannes. Der Gaukler», sagte Hannes ruhig.
Der Cavalié grunzte etwas Unverständliches.
«Wir müssen weiter!», drängte Fabiou.
«Bruder Antonius, Ihr bleibt hier mit Catarino», befahl der Cavalié.
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«Nein, Vater.» Catarino klang ziemlich entschlossen. «Ich komme mit. Cristino ist in Lebensgefahr. Und ich denke, ich habe ihr gegenüber eine gewisse Verpflichtung, auch wenn sie nicht meine Schwester ist.»
Der Cavalié starrte sie an. Im Dunkeln sah man nur seine Zähne
– da sein Mund offen stand – und das Weiß in seinen aufgerissenen Augen. «W-was sagst du da?»
«Es tut mir leid, Cavalié», sagte Hannes. «Ich musste es ihr sagen.»
«Jesus und Maria, wir müssen weiter!», schrie Fabiou und lenkte sein Pferd auf den Weg nach Santo Anno dis Aupiho. Catarino folgte ihm als Erste. Der Cavalié war so perplex, dass er keine weiteren Einwände erhob. Das Haus tauchte düster und wie unbewohnt aus der Nacht auf. Ebenso schwarz und tot lag zur Linken das Dienstbotengebäude.
«Da drin könnte man zehn Leute umbringen, bevor das einer im Dienstbotenhaus hört», murmelte Couvencour.
«Hör auf damit! Ich werde noch wahnsinnig!», stöhnte Frederi. Sie kletterten von den Pferden, die sie am Scheunentor festmachten. Couvencour zog erneut seinen Degen, ebenso Sébastien und, seufzend, der Cavalié. Auch Fabiou griff nach dem Degen, den er mit leichter Mühe auch aus der Scheide bekam, um dann in ungläubiger Faszination auf die glänzende Klinge zu starrten.
«Also los», Frederi holte tief und schicksalsergeben Luft, «gehen wir ‘rein.»
Sie kletterten die Stufen empor. Die Tür war offen; Frederi trat als Erster in den stockdunklen Eingang. Sébastien schüttelte den Kopf, um die Erschöpfung aus seinen Knochen zu verjagen. «Na dann los», sagte er aufmunternd zu sich selbst. «Fabiou, tu mir einen Gefallen und halte diesen Degen nicht wie einen Bratspieß!»
Fabiou empfahl seufzend seine Seele Gott im Himmel und trat ein.Couvencour hatte sich nach vorne gedrängelt und die Führung übernommen. «Der Wohntrakt ist größtenteils nach hinten heraus gelegen, ich denke, da werden wir Cristino am ehesten finden», flüsterte er.
«Pst!» Frederi
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