Die Kinder des Ketzers
ihre nackten Füße schlitternd auf dem glatten Boden. «Arnac!»
Eine blitzschnelle Bewegung, und seine Hand hatte ihren Arm gepackt und riss sie hinter sich, während im gleichen Moment der Degen aus seiner Scheide flog, und im nächsten Moment kamen die vier Männer um die Biegung gestürzt, allen voran der Kahle. Sie hielten inne, als sie Arnac bemerkten, und sahen den Genevois an, der die Stirn runzelte und stehen blieb. Hinter ihnen trat ein weiterer Mann um die Biegung. «Was ist?», fragte er. Cristino schrie auf. «Baroun Degrelho!», kreischte sie. «Flieht!
Es sind Mörder! Sie wollen uns alle umbringen!»
Der Baroun floh nicht. Ruhig stand Archimède Degrelho an der Ecke und blickte auf die vier Mordgesellen, auf Arnac de Couvencour und auf Cristino. «Na, so etwas», sagte er. «Senher Couvencour. Der Ketzer gibt sich die Ehre.»
Arnac sagte nichts. Cristino sah, wie seine Rechte sich um den Knauf des Degens krampfte, als ob sie ihn zerquetschen wollte.
«Ihr helft mir aus einer großen Verlegenheit, Senher Couvencour», meinte Archimède Degrelho. «Ich hatte lange darüber nachgegrübelt, wie ich plausibel machen sollte, unter welchen Umständen die Barouneto in meinem Haus den Tod gefunden hat. Aber jetzt ist dieses Problem gelöst. Man wird Cristinos Leiche neben der Euren finden. Tragisch, nicht wahr? Das arme kleine Mädchen, ermordet von einem bösartigen Ketzer, kaum dass dieser aus dem Gewahrsam der Inquisition geflohen ist. Kein Wunder, dass ich 959
nicht an mich halten konnte und ihn im gerechten Zorn erschlug, nicht wahr? – Nur schade, dass wir diesen Bengel, Fabiou, nicht hierher schaffen konnten. Wir werden uns seiner später annehmen müssen.»
Cristino schüttelte den Kopf. «Nein», flüsterte sie. «Oh nein.»
Und Arnac de Couvencour tat etwas Seltsames. Er lachte. Laut und schallend hallte sein Lachen in das Gewölbe hinauf. Fast ein Echo. «Ja, darin seid Ihr groß, Baroun, im Erfinden eindrucksvoller Szenarien. So wie damals bei den Antonius-Jüngern – ein Riesenaufgebot von Edelleuten, Soldaten und Geld, eine ganze Räuberbande, die aufs Schafott geschleift wird, und alles nur, um davon abzulenken, wer Hector Degrelho wirklich ermordet hat, nicht wahr? So wie damals, als Eure Nichten starben. Wie geschickt, dass das Kindermädchen sich nach vollbrachter Arbeit den Dolch in die Brust stieß! Ein Zeuge weniger, und ein Mörder, den man direkt der Gerichtsbarkeit präsentieren konnte. Keine dummen Fragen, nur bedauernde Blicke der mitfühlenden Gesellschaft! Sagt, sind Euch denn nie Zweifel an dieser Version gekommen? Habt Ihr Euch nie gefragt, wie es sein kann, dass eine professionelle Mörderin, die zahllose Menschen auf dem Gewissen hat, plötzlich derart von Reue überkommen wird, dass sie sich das Leben nimmt? Habt Ihr Euch nie überlegt, ob nicht vielleicht etwas ganz anderes in dieser Nacht geschehen ist? Ob das Kindermädchen vielleicht durch eine andere Hand als die eigene gestorben ist? Habt Ihr Euch nie überlegt, ob die Sicherheit, in der Ihr Euch wiegt, vielleicht eine Illusion ist?»
Archimède Degrelho war bei diesen Worten näher gekommen, bis er direkt am Rande des Sterns stand, und der Genevois und seine Männer waren ihm lautlos gefolgt, eine Wand aus Waffen, die den Gang vor Arnac und Cristino versperrten. «Du redest und redest, Couvencour, aber du hast keine Ahnung von all diesen Dingen!», sagte Degrelho verächtlich. «Nicht die geringste Ahnung.»
«Irrtum.» Arnacs aufgeplatzte Lippen verzogen sich zu einem bösen Grinsen. «Ich weiß eine Menge. Ich weiß sogar, wer das Kindermädchen getötet hat.»
960
Einen kurzen Moment lang schnappte Degrelho nach Luft, dann hatte er seine Fassung wiedergefunden. «Das kannst du nicht wissen!», sagte er wegwerfend.
«Oh doch, Baroun , ich weiß es. Wahrscheinlich bin ich sogar der einzige Mensch auf dieser Welt, der es weiß», sagte Arnac unbewegt.
«Ach. Und wie kommt das, Couvencour?» Degrelho lächelte spöttisch. «Hat es dir diese alte Hexe aus den Karten gelesen? Oder fantasierst du das alles einfach zusammen?»
«Oh, nicht doch, Baroun , nicht doch, ich fantasiere keineswegs. Ich weiß es. Aus einem ganz einfachen Grund», entgegnete Arnac.
«Ich war es. Ich habe sie getötet.»
Degrelhos Mund stand offen. Er blinzelte, als ob er Staub in den Augen habe. Dann lachte er heiser auf. «Du warst es, ja? Ich lach’
mich tot! Als diese Dinge passiert sind, hast du noch in die Windeln gemacht,
Weitere Kostenlose Bücher