Die Kinder des Ketzers
seines Vaters, die er so ablehnte. Und 1001
dann traf er dieses Mädchen. Sie gehörte einer der älteren protestantischen Familien an. Zwei Wochen später konvertierte er, zusammen mit eurem Vater.»
«Und Mutter?», fragte Catarino. Frederi seufzte und ließ den Kopf in die Hände sinken. Schließlich gab Couvencour es auf, auffordernde Blicke in seine Richtung zu werfen, und fuhr selbst fort, indem er sagte: «Eure Mutter liebte euren Vater. Er sagte eines Tages zu ihr, ich will dich heiraten, aber ich bin Protestant, und da sagte sie, gut, dann werde ich eben auch Protestant.»
«Wieso hat sie ihn dann verraten, wenn sie ihn liebte?», fauchte Catarino.
Couvencour schüttelte den Kopf. «Deine Mutter hatte keine andere Wahl! Hätte sie zu deinem Vater gehalten, wäre sie jetzt genauso tot wie er!», erklärte er. Catarino öffnete den Mund zu einer heftigen Entgegnung, doch bevor sie etwas sagen konnte, war Fabiou ihr ins Wort gefallen, indem er meinte: «Und damals begann dann die legendäre Zeit der Bruderschaft, nicht wahr?»
Rouland sah Frederi an. Frederi sah Rouland an. Ein seltsamer Blick. Wehmütig, mochte man meinen. «Es war…», begann Rouland de Couvencour, dann hielt er inne, kopfschüttelnd nach einem Adjektiv suchend, das dem, was er sagen wollte, angemessen war, und endete schließlich: «… unglaublich.» Sein Blick ging zu Frederi, als erwarte er sich von ihm eine zutreffendere Umschreibung, dann hob er machtlos die Arme und wiederholte: «Unglaublich, einfach unglaublich war es. Am Anfang waren es nur Kleinigkeiten, die wir taten. Ein paar Flugblätter drucken und unter die Leute bringen, ein paar gesuchten Protestanten die nötigen Geldmittel organisieren, damit sie in die Schweiz fliehen konnten. Es war riskant, natürlich, aber es war ein kalkulierbares Risiko. Doch mit jeder Woche, die verging, wurden unsere Pläne riskanter, unsere Taten waghalsiger. Und das Verrückte war, so groß die Gefahr auch schien, so undurchführbar unsere Pläne auch sein mochten, es war, als ob uns alles gelingen wollte, was wir unternahmen.»
Und endlich sprach Frederi. «Es war wie im Märchen», sagte er.
«Als ob wir den Stein der Weisen gefunden hätten, als ob wir unbesiegbar wären. Innerhalb weniger Wochen waren wir zu Helden 1002
geworden, über die man hinter vorgehaltener Hand auf den Marktplätzen und in den Gaststätten tuschelte. Überall wurden Mutmaßungen darüber angestellt, wer wir waren. Pierre und Raymoun sammelten die unterschiedlichen Theorien regelrecht und amüsierten sich köstlich darüber. Es… war eine so unglaubliche Zeit. Wir lebten in dem Gefühl, alles zuwege bringen zu können. Gott, wir wussten, dass es ein Spiel mit dem Feuer war, dass unser Leben jeden Tag zu Ende sein konnte, wenn nur irgendeine Kleinigkeit schiefging. Aber vielleicht war es gerade das, was das Leben damals so lebenswert machte. Das und die Tatsache, dass wir zusammen waren, dass wir uns gegenseitig hatten, unsere Freunde, auf die wir uns bedingungslos verlassen konnten, egal was geschah. Das war ein unglaubliches Gefühl. Wir waren wie die Ritter der Tafelrunde oder die Argonauten, verschworen gegen die ganze Welt, bis in den Tod. Es war die schönste Zeit in meinem ganzen Leben.»
Catarino konnte nicht anders, als Frederi kuhäugig anzustarren. Diese Rede war das Letzte, was sie oder irgendein anderer in diesem Raum von ihrem Stiefvater erwartet hatte.
«Die Leute waren begeistert von uns», erklärte Couvencour.
«Für die einfachen Menschen waren wir eine Mischung aus Volkstribunen und Sagenhelden, und viele Adlige sahen in uns die Wiederauferstehung der alten, ritterlichen Prouvenço. Sie wussten ja nicht mal, wer wir waren, aber ein Brief von uns genügte, und sie versorgten uns mit allem, was wir brauchten.»
«Aber ihr hattet auch Feinde», erinnerte Fabiou. «Die Inquisition natürlich. Die Edelleute, denen ihr mit euren Aktionen Schaden zufügtet. Und letztlich sogar die Franzosen.»
«Oh ja, klar, wir hatten bald ein paar Klagen beim Parlament am Hals», antwortete Frederi. «Aber was hat uns das gestört! Keiner wusste, wer wir waren, und wir hatten überall unsere Verstecke, in die wir uns nach unseren Unternehmungen flüchten konnten. Die Wahrheit kannten nur einige wenige unserer engsten Vertrauten
– die Frauen von Rouland und Hector, Beatrix’ und Pierres Eltern, unsere vertrauenswürdigsten Diener, und noch einige wenige andere. Eure Großmutter, ja, die hat sicher auch
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