Die Kinder des Ketzers
Buous schüttelte heftig sein kahles Haupt.
«Entschuldige, Kleiner, aber einem einfachen Mann vom Lande geht das etwas zu schnell. Ich kapiere im Moment rein gar nichts. Also, du behauptest, Cristino wäre in Wirklichkeit Agnes Degrelho und Arnac ihre Schwester, richtig, und ihr Onkel wollte die ganze Familie auslöschen, um sich das Erbe seines Bruders anzueignen, ja? Aber was hat das jetzt alles mit La Costo zu tun? Und was, verdammt noch mal, mit diesen ganzen vermaledeiten Morden der letzten Monate?»
«Das würde mich jetzt allerdings auch langsam mal interessieren», meinte Sébastien kauend. «Ich war schließlich ein paar Tage außer Gefecht gesetzt und habe deine Nachforschungen nicht mehr mitverfolgen können. Es wäre ganz gut, wenn du die Geschichte von Anfang an erzählen könntest!»
«Von Anfang an…» Fabious Augen leuchteten wie die Feuer an Sant Joan. «Wie wäre es, wenn jemand anderes diese Geschichte erzählen würde, diese furchtbar traurige Geschichte, die vor knapp dreißig Jahren in der Klosterschule St. Trophimus von Arle begann, die Geschichte von ein paar kleinen Jungs, die einen Geheimbund gründeten und sich schworen, getreu der alten Werte des Rittertums und inspiriert von den neuen Ideen des Humanismus alles Unrecht zu bekämpfen. Ein Schwur, dem sie fünfzehn Jahre später einer nach dem anderen in den Tod folgten.» Fabiou hielt inne, um diese ach so poetischen Worte auf die versammelte Zuhörerschaft wirken zu lassen. Dann fuhr er fort, bemüht seiner Stimme die Würde zu verleihen, die der Tragweite seiner Worte angemessen war: «Zum Beispiel einer der beiden Überlebenden der Bruderschaft, die in diesem Raum anwesend sind.»
Jetzt hörte sogar Sébastien mit dem Kauen auf. Der Bonieus war hochgefahren. «Donnerwetter», sagte der Buous. «Donnerwetter aber auch.»
Fabiou hatte sich umgedreht. «Graf Ianus und Lancelot, nicht wahr?», fragte er, den Blick auf seinen Stiefvater gerichtet, der an seiner Gürtelschnalle herumnestelte, während Rouland de Couvencour mit der Schuhspitze in einer Ritze zwischen den Steinplatten im Fußboden herumschabte, als ob er darunter einen verbuddelten Schatz vermutete. «Graf Ianus, nach dem doppelköpfigen 998
Drachen im Wappen der Couvencours. Lancelot der Gralsritter, aus Freundschaft zu einem, der sich ebenfalls nach einem Gralsritter den Namen Schionatulander gegeben hatte. Rouland de Couvencour und Frederi de Castelblanc. In jener Nacht nach dem Tod des Notars, da habt Ihr Euch im Haus der Aubans getroffen, nicht wahr? Ich dachte, ich hätte Onkel Philomenus und seine Freunde belauscht, und dabei wart Ihr es, Ihr und Tante Beatrix – die letzten Überlebenden der Bruderschaft.»
Der einzige Laut war Catarinos Aufschrei. «Tante Beatrix?»
«Oh ja, Tante Beatrix alias Cosmas, benannt nach dem Schutzheiligen der Ärzte», sagte Fabiou. «Wir dachten immer, Tante Beatrix habe Ais damals aus Trauer über den Tod ihres Bruders und ihrer Mutter verlassen. Von wegen! Tante Beatrix ging nach Rom, weil in Ais ihr Leben bedroht war!»
Rouland de Couvencour warf einen Blick in die Runde, auf Crestin, der ihn mit offenem Mund anstarrte, auf Bonieus und Buous, deren Blicke mit wahrer Ehrfurcht erfüllt waren, und auf Frederi de Castelblanc, der die Schultern hängen ließ wie ein geprügelter Hund. Er räusperte sich. «Es war Hector Degrelhos Idee, das mit der Bruderschaft», sagte er. «Am Anfang war es nur so ein Spiel von Hector, Pierre und mir, wie es Kinder oft spielen, von Rittern, die auf einen Kreuzzug zogen. Bis er dann irgendwann um 1530 bei Nacht und Nebel alle Jungs der Schule, die er als würdige Mitglieder seines Geheimbundes erachtete, in einem alten Kellergewölbe unter der Schule versammelte und die Bruderschaft des Heiligen Grals gründete. Der Name war von der Geschichte von Mont-Segur inspiriert, und nach einer der Sagen, die sich um Mont-Segur rankten, nannte er sich Carfadrael.»
«Carfadrael. Der Ritter, der den Heiligen Gral aus Mont-Segur gerettet haben soll», bestätigte Fabiou. Senher d‘Alence und Senher de Vare tauschten einen Blick, dem man ihr Bedauern darüber ansah, damals zu jung gewesen zu sein, um zu den Auserwählten zu gehören. «Und die Bruderschaft. Rouland de Couvencour. Frederi de Castelblanc. Pierre Avingou alias Magister Morus. Cristou de Bèufort alias Schionatulander. Archimède Degrelho – Augustus. Raymoun de Labarre – Coeur de Lion. Lucian Veive – Mountagno. 999
Jacque Bergotz –
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