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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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zerknitterte Büchlein mit dem Ledereinband aus der Tasche.
    «Ich habe das hier gelesen», sagte er. Er versuchte, nicht auf das seltsame quiekende Geräusch zu achten, das aus Frederis Mund drang.
    Couvencour nickte langsam. «Wir überlegten, was zu tun war. Hector, Hitzkopf, der er war, wollte sofort zu Maynier rennen und sich mit ihm prügeln, aber der war bereits nach Marsilho abgereist. 1007
    Das einzig Denkbare schien uns zu sein, ein Schreiben an den König zu richten, in dem wir ihm die Vorgänge schilderten und ihn baten, sein Einverständnis zurückzuziehen. Nach langen Diskussionen rangen wir uns dazu durch und schickten am Morgen des 12. April einen vertrauenswürdigen Boten mit eben diesem Schreiben los, in Richtung Paris. Leider zu spät.»
    «Der 12. April», wiederholte Fabiou. «Quasimodo. Der Tag, an dem das Parlament Maynier zur Umsetzung des Arrêts ermächtigte.»
    Wieder nickte Couvencour. «Wir wären nie darauf gekommen, dass das Parlament überhaupt tagen würde, schließlich war Sonntag. Keiner hatte eine Erklärung für diese überstürzte Eile, nachdem die Genehmigung des Königs schließlich schon seit Februar vorlag. Im Nachhinein denke ich, dass Archimède Maynier die Sache mit unserem Boten zugetragen hat und dieser daraufhin begriff, dass die Zeit drängte. Die Entscheidung fiel in den späten Abendstunden. Um zehn Uhr abends klopfte eben jener Sazo bei Cristou an die Tür und teilte ihm mit, dass der Feldzug beschlossene Sache sei; bereits am folgenden Tag würden die vom Parlament beauftragten Kommissare in den Luberoun aufbrechen. Bei Cadenet würde man bis zum 15. April mit den königlichen Truppen zusammentreffen.»
    «Und dann?», fragte Nicolas de Bouliers atemlos.
    «Und dann?» Couvencour lachte bitter auf. «Junge, wir waren zu zwölft, dreizehn, wenn man Beatrix zählte, all unsere Diener und Waffenknechte mitgerechnet vielleicht vierzig. Etwas zu wenig, um sich einer Armee in den Weg zu stellen.» Er seufzte tief. «In den vierundzwanzig Stunden, die folgten, haben wir alles Mögliche und Unmögliche versucht, um Maynier aufzuhalten. Cristou wollte eine gerichtliche Verfügung erwirken, die die Umsetzung des Ar- rêts aufhielt. Wir haben Flugblätter gedruckt, wir haben versucht, die Edelleute dazu zu bewegen, sich gegen Maynier zusammenzuschließen. Aber es war alles erfolglos. Zwar war ein beträchtlicher Teil der Edlen des Luberoun gegen Mayniers Vorhaben, schon weil sie ahnten, dass sie letztlich die Verlierer sein würden, wenn Mayniers Heer plündernd und brandschatzend durch ihre Ländereien zog, doch sie alle befürchteten wohl, durch eine offene Opposition 1008
    zu viel aufs Spiel zu setzen. Und dann, am Abend des 13. Aprils, nachdem wir es aufgegeben hatten, wieder und wieder die verzweifeltsten und sinnlosesten Pläne zu wälzen, fassten wir eben einen fatalen Entschluss. Einen Entschluss, der entsetzlich, der furchtbar war, aber der uns doch die letzte Möglichkeit schien, die Katastrophe zu verhindern.» Er brach ab. Er kämpfte um Atem.
    ‹Es bleibt nur die letzte Lösung›, hatte Schio in seinem Brief in jenem Confidentiel geschrieben. ‹Möge Gott uns verzeihen.›
    «Was für einen… Entschluss?», fragte Sébastien vorsichtig. Roulands linke Hand verteilte Schlieren von Schweiß auf seiner Stirn. Frederis Zähne klapperten wie ein altersschwaches Mühlrad.
    «Den Entschluss, Jean Maynier d’Oppède zu töten», ergänzte Fabiou ruhig.
    Kaum einer wagte zu atmen. «Ja», krächzte Rouland de Couvencour. Die Worte waren zwischen seinen zusammengequetschten Zähnen kaum zu verstehen. «Den Entschluss, Maynier zu töten.»
    Er rang nach Luft. «Maynier war die Schlüsselfigur in der ganzen Geschichte», sagte er. «Weder de la Font noch Guérin hätten genügend Durchsetzungskraft besessen, um die Sache alleine durchzuziehen. Also gab es die begründete Hoffnung, dass das gesamte Vorhaben in sich zusammenbrechen würde, wenn Maynier starb, oder sich zumindest lange genug verzögerte, dass der König noch rechtzeitig eingreifen könnte. Es gab eine Abstimmung. Frederi und Jaquot waren dagegen. Schio enthielt sich. Alle anderen stimmten dafür.»
    «Und dann hat mein Stiefvater die Bruderschaft verlassen», stellte Fabiou mit einem leichten Nicken fest.
    «Woher weißt du das jetzt wieder?», fragte Couvencour, der erschöpft den Kopf schüttelte.
    «Pierre erwähnt ihn mit keinem Wort in seinen Aufzeichnungen», erklärte Fabiou. «Und abgesehen davon

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