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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Franciscus. Antoine Carbrai – Orléans. Und Philippe Maynier alias Gracchus. Stimmt’s?»
    «Maynier? Jean Mayniers Sohn?», fragte der Bonieus erstaunt.
    «Jacque?», krächzte der La Costo. Er war in etwa so weiß wie die Tünche an der Wand in seinem Rücken.
    Couvencour nickte. «Hector war… unglaublich!», fuhr er fort, und seine Augen leuchteten jetzt fast so hell wie die von Fabiou.
    «Gott, er war fast noch ein Kind, fünfzehn Jahre alt war er damals, aber wenn man ihn reden hörte, war es, als höre man Bonivard zu, oder Luther, oder Jeanne d’Arc! Er verzauberte jeden, der ihm zuhörte, er weckte Visionen in uns! Vor unseren Augen erstand eine ganz neue Welt, in der es keine Ungerechtigkeit und keine Unterdrückung mehr gab!» Er seufzte, wischte sich mit einer erschöpften Handbewegung die spärlichen Haare zurück. «Eine Zeitlang ging alles gut, wir hielten unsere geheimen Versammlungen ab und schmiedeten hochtrabende Pläne, aber dann, eines Tages, flog natürlich alles auf. Es gab einen wahnsinnigen Ärger. Sie hatten einige von Pierres und Hectors humanistischen Büchern gefunden, und dann war natürlich gleich die Rede von Verbreitung ketzerischen Gedankenguts. Wir hatten Glück im Unglück, dass der Abt ein relativ offener Mann war und zudem Hector und Pierre sehr wohlwollend gegenüber stand, vor allem Pierre, dessen Genie damals schon abzusehen war. Das rettete uns vor schlimmeren Konsequenzen. Aber Hector wurde der Schule verwiesen, und die Tage der Bruderschaft waren erst einmal gezählt.»
    «Bis Hector Degrelho sie in Ais wieder aufleben ließ», mutmaßte Fabiou.
    Couvencour lächelte schwach. «Der 4. Mai 1537,
    7 ich weiß es
    noch wie heute, Hectors zweiundzwanzigster Geburtstag. Er hatte Pierre und mich zu sich in das Haus seines Vaters in der Keyrié
    eingeladen. Pierre war damals bereits an der Universität in Ais tätig, und Hector war schon einige Monate mit Justine verheiratet. An diesem Abend hatten wir alle drei schon einiges getrunken und ereiferten uns über die affaire des placards , die damals der Inquisition erschreckenden Auftrieb gab. Und da sagte Hector plötzlich, man müsse etwas gegen all das tun, man könne dies als ehrenvoller Mensch nicht einfach hinnehmen. Wir lachten uns halb tot und 1000
    fragten, was er denn zu tun gedächte, aber Hector meinte nur, wir rufen die Bruderschaft wieder zusammen.
    Die meisten von uns hielten sich zu jener Zeit in Ais auf. Cristou, Philippe und Frederi hatten gerade ihr Studium an der dortigen Universität aufgenommen. Archimède lebte ohnehin mit seinem Bruder unter einem Dach, Jacque Bergotz war in Ais in ein Priesterseminar eingetreten, Antoine Carbrai und Lucian arbeiteten im Kaufmannsbetrieb von Antoines Vater. Damals stießen dann auch Beatrix und Mouche Piqueu zu uns.»
    «Mouche Piqueu? Der Druckermeister?», fragte Sébastien. Couvencour nickte. «Hector wandte sich an Mouche Piqueu zunächst nur, um Zugriff auf eine Druckerpresse zu haben. Er weihte ihn bis zu einem gewissen Grad in unser Vorhaben ein, und Mouche war so begeistert, dass er voll und ganz bei der Bruderschaft mitmachen wollte. Hector hatte natürlich nichts dagegen, ganz im Gegenteil, ein Jude hatte ihm noch gefehlt in seinem Sammelsurium von Ketzern, mit Lucian als Waldenser und Antoine, der inzwischen zum Protestantismus übergetreten war. Und Beatrix – am Anfang waren einige skeptisch, eine Frau in unserer Runde zuzulassen, doch durch ihren Eintritt in den Benediktinerorden hatte sie Kontakte, die sich als sehr nützlich erwiesen.»
    «Und Vater? Wann ist er Protestant geworden?», fragte Catarino. Cristino zuckte zusammen, als sie sie «Vater» sagen hörte. Vater. Catarinos Vater. Fabious Vater. Im Leben gestern war er auch noch ihr Vater gewesen.
    Couvencour sah hilfesuchend zu Frederi hinüber, doch der starrte nur stumm vor sich hin, so dass Couvencour wieder das Wort ergriff. «Im Grunde hat ihn Antoine dazu gebracht. Ihn und Philippe. Antoine hat sie beide zu seinen protestantischen Gottesdiensten mitgenommen. Cristou war begeistert. Er meinte, in der einfachen Gottesverehrung der Protestanten das wahre Christentum gefunden zu haben. Er hat uns von frühmorgens bis abends spät von den Vorzügen des Protestantismus vorgeschwärmt, bis Raymoun irgendwann mal drohte, ihm den Hals umzudrehen, wenn er noch einmal das Wort Luther in seiner Gegenwart in den Mund nehmen würde. Und für Philippe war der Protestantismus der Gegenentwurf zur Welt

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