Die Kinder des Ketzers
Versuche, Catarino zu finden, doch alle waren erfolglos. Niemand wollte Catarino oder Hannes, den Gaukler, gesehen haben, und die Spur jenes Gauklertrupps, der einst in Ais gelagert hatte, verlor sich in den Bergen östlich der Stadt.
Im Luberoun war Catarinos Verschwinden Gesprächsthema Nummer eins für viele Wochen und beschäftigte die feine Gesellschaft noch mehr als die unerhörte Geschichte um Cristino. Die Damen, von Neugierde und Klatschsucht getrieben, rannten der Dame Castelblanc die Tür ein auf der Suche nach Informationen aus erster Hand, um mit ihr dann stundenlang über die undankbare Göre zu lästern, die ihrer armen Mutter so viel Leid zugefügt hatte. «Passt auf, die wird schon sehen, was sie davon hat!», meinte die Mauvent. «In spätestens einer Woche steht sie wieder reumütig vor Eurer Tür!»
Doch die Woche verging, und Catarino kam nicht zurück. Sie kam auch nicht nach einem Monat zurück. In der Tat vergingen vier lange Jahre, bis Catarino wieder in die Prouvenço zurückkehrte. Zu diesem Zeitpunkt war aus dem Gauklerhaufen des großen Malou eine weithin bekannte Schauspieltruppe geworden, die in Arle ihr Quartier aufschlug. In Italien hatte Hannes einen jungen Mann namens Giorgio Cardone aufgetrieben, der eine gewisse Erfahrung als Schauspieler besaß, und zusammen hatten sie es geschafft, aus der zusammengewürfelten Bande ungebildeter Gaukler eine Theatertruppe zu machen, die sich sehen lassen konnte. Doch die Seele der Truppe, das, was ihren großen Erfolg bedingte, war Catarino. Catarino, die einen Großteil der Stücke schrieb, die die Truppe aufführte, die nicht nur Talent als Schriftstellerin be1056
saß, sondern vor allem ein Gespür dafür, was in der aktuellen Situation bei den Menschen ankam. Fabiou dachte mehr als einmal kopfschüttelnd, wie sonderbar es doch war, dass ausgerechnet seine große Schwester, die sich stets über seine Gedichte lustig gemacht hatte, nun diejenige in der Familie war, die einem Poeten am nächsten kam.
Frederi fuhr sogar nach Arle, um eines von Hannes’ und Catarinos Stücken zu sehen, und er war zutiefst gerührt von der Begegnung mit seiner Stieftochter und begeistert von dem Schauspiel der Truppe, sie wären es wert, in Paris vor dem König aufzutreten, schwärmte er Madaleno vor. Doch Madaleno rümpfte nur abfällig ihre Nase.
Sie begegneten einander noch einige Male, Madaleno und Catarino, zufällig, wenn Catarino Fabiou in Ais besuchte, doch Madaleno vergab ihrer Tochter nie, und auch Catarino konnte ihrer Mutter erst vergeben, als sie an einem Aprilmorgen an deren Grab stand.
***
Castelblanc war geschrumpft. Die Türen, die Räume, die Bäume, die das Haus umstanden, alles schien kleiner geworden zu sein. Eine Puppenstube für lebendes Spielzeug, wie es schien. Das ist so, weil du gewachsen bist, sagte Loís zu Fabiou, was in der Tat stimmte, Fabiou war noch ein Stück in die Höhe geschossen, die neuen Gewänder spannten bereits wieder an Knien und Ellenbogen, und unter den Hosenumschlägen spickten seine Waden hervor. Dieser Umstand und die etwas unregelmäßige Nahrungsaufnahme der vergangenen Wochen hatten ihn mager, um nicht zu sagen dürr werden lassen, so dass die Köchin die Hände über dem Kopf zusammenschlug und jammerte, den Bub müssen wir recht füttern, so verhungert wie er ist, er braucht eine ordentliche, fette Suppe und einen kräftigen Braten, das ist es. Fabiou kam es sonderbar vor, sich über Dinge wie Suppe und Braten den Kopf zu zerbrechen. Er fand es unerhört genug, am Leben zu sein.
Auch Loís hatte sich verändert. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass er abgemagert war, und es waren auch nicht nur die zahl1057
losen Schrammen, die er aus dem Abenteuer davongetragen hatte. Es ist etwas in ihm, das anders geworden ist, murmelte sein Vater und sah zu Cristinos Zimmer hinauf, und manchmal fügte er hinzu, es ist nicht gut so, Diener ist Diener und Herrschaft ist Herrschaft. Loís war immer ruhig und zurückhaltend gewesen, doch die Einsilbigkeit, deren er sich seit ihrer Rückkehr nach Castelblanc befleißigte, hatte etwas Bedrückendes an sich. Eines Abends kurz nach ihrer Heimkehr fand Fabiou ihn im Stall, wo er soeben das Pferd des Cavalié striegelte, jenen Jaco, mit dem Frederi Julí ihnen nach Arle gefolgt war. Offenbar hatte das Tier sich damals in jenem Waldstück losgerissen, erschreckt durch den Schuss, wie Fabiou vermutete, und hatte sich auf den Weg zu seinem heimatlichen Stall gemacht. Der
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