Die Kinder des Ketzers
Gott, ein Glück, ihr lebt», flüsterte Philomenus. Frederi sagte nichts. Oma Felicitas sagte ebenfalls nichts.
«Das ist nicht gerade Euer Verdienst, Onkel», meinte Fabiou trocken.
Erstaunlich, doch Philomenus wurde in der Tat noch eine Spur bleicher. «Ich wusste es doch nicht», flüsterte er.
«Was? Dass Archimède der Mörder seines Bruders war? Darf man lachen?», fragte Fabiou.
«Ich wusste doch nicht, wer Cristino in Wirklichkeit war! Ich wusste doch nicht, dass Archimède sie töten wollte!»
«Aber dass er mich töten wollte, dürfte Euch klar gewesen sein, und trotzdem wolltet Ihr mich mit ihm gehen lassen», meinte Fabiou.
«Es tut mir leid», flüsterte Philomenus. «Ich wusste doch nicht, was ich machen sollte… gegen die… es tut mir leid!»
«Die Ehre der Familie, ich weiß», Fabiou lachte spöttisch auf.
«Es tut mir leid!», schrie Philomenus.
1062
«Du hast sie gehasst, immer schon.» Frederi starrte mit leeren Augen auf die Reihen der Gräber. «Cristou und Pierre ebenso wie Beatrix. Du wolltest von Anfang an, dass sie sterben.»
«Das ist nicht wahr», flüsterte Philomenus. «Gott, Frederi, ich schwöre dir, ich habe nie gewollt, dass Beatrix etwas zustößt! Und Pierre – Himmel, wir waren uns nicht grün, Pierre und ich, aber ich wollte doch nicht, dass er stirbt! Aber was hätte ich denn machen sollen? Sie haben gesagt, du bist für uns oder gegen uns, damals, an diesem 14. April! Sie haben einen Beweis verlangt, dass ich auf ihrer Seite bin! Und man hat doch gesehen, was aus denen geworden ist, die sie sich zum Feind gemacht hatten, die Centals, und die La Costos, und so weiter! Frederi – Frederi, ich habe dir das Leben gerettet! Sie wollten dich ebenfalls töten, aber ich habe sie überredet, dich am Leben zu lassen! Aber Pierre und Cristou konnte ich nicht retten! Ich hatte doch auch eine Verantwortung, Frederi, für die Familie!»
«Der Preis für das Ansehen der Aubans.» Fabiou nickte ruhig mit dem Kopf. «Das Leben von Onkel Pierre und meinem Vater.»
«Oh Gott, Fabiou, es tut mir leid!» Fabiou stellte erstaunt fest, dass Onkel Philomenus mit den Tränen kämpfte. Kaum zu glauben. Philo hat so etwas wie Gefühle. Und in einer plötzlichen Erkenntnis begriff Fabiou, dass er den Kampf gewonnen hatte. Vielleicht um den Preis seines Lebens, aber er hatte gewonnen! «Die Namen, Onkel Philomenus», sagte Fabiou. «Ich muss wissen, wer dabei war.»
«W-wie?», krächzte Philomenus.
«An jenem 14. April. Wer war dabei, als sie die Vernichtung der Bruderschaft beschlossen? Maynier, das ist klar. Trostett. Archimède Degrelho. Und wer noch?»
«Wieso willst du das wissen?», hauchte Philomenus.
«Oh, sie haben nur ein paar tausend Menschenleben auf dem Gewissen», meinte Fabiou. «Für die Vernichtung der Waldenser konnte man sie nicht drankriegen. Aber für die Vernichtung der Bruderschaft vielleicht sehr wohl!»
«Du… du spinnst ja wohl», stotterte Philomenus. «Wie soll das gehen… es gibt keine Möglichkeit, sie gerichtlich zu belangen! Sie kontrollieren das Parlament von Ais und damit die ganze Gerichts1063
barkeit in der Prouvenço! Und vor dem König gilt die Bruderschaft als Rebellengruppe! In ganz Frankreich gibt es kein Gericht, das sie zur Verantwortung ziehen wird.»
Langsam schüttelte Fabiou den Kopf. «Ihr irrt Euch. Eine Instanz gibt es, die sie fürchten, so sehr, dass sie zu morden bereit waren, um ihr zu entgehen. Und vor dieser Instanz werde ich sie zur Verantwortung ziehen.»
«Was für eine Instanz meinst du, um Himmels willen?»
Fabiou lächelte. Er machte eine ausgreifende Handbewegung.
«Ais», sagte er. «Ich werde ein Flugblatt drucken lassen. Ich werde dafür sorgen, dass die Menschen von Ais erfahren, was damals passiert ist. Und wer die Verantwortung trägt. Ihr müsst mir nur noch die restlichen Namen liefern.»
Philomenus sank zitternd gegen ein steinernes Grabkreuz. Seine Lippen waren bläulich angelaufen, und Fabiou fürchtete ernsthaft, sein Onkel würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen, indem er vom Schlag getroffen tot umfiel. Doch Philomenus machte glücklicherweise keine Anstalten zu sterben und keuchte stattdessen: «Die… die werden mich töten.»
«Blödsinn», sagte Fabiou. «Wenn sie jemanden töten, dann mich. Und im Übrigen – findet Ihr nicht, dass Ihr versuchen solltet, etwas von dem Schaden, den Ihr angerichtet habt, wiedergutzumachen?»
Er grinste.
Philomenus fuhr sich hektisch mit der Hand
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