Die Kinder des Ketzers
den Raum betrat, blickte er auf, und Fabiou sah, wie seine Hand sich um die Schreibfeder krampfte.
«Ich gehe morgen mit Bruder Antonius nach Ais zurück», verkündete Fabiou. Frederi rang nach Luft. «Warum?», fragte er.
«Vielleicht komme ich noch rechtzeitig zu Beatrix’ Beerdigung», meinte Fabiou. «Ich denke, ich sollte dort sein. Und außerdem», er holte tief Luft, «außerdem bin ich nicht bereit, hinzunehmen, dass Maynier und seine Komplizen nach allem, was sie getan haben, ungestraft davon kommen.»
«Mein Gott, was willst du denn machen?», fragte Frederi unwirsch und krakelte auf das Pergament unter seinen Händen ein.
«Maynier kann man nicht anzeigen, das weißt du so gut wie ich. Und denk daran, was dieser Crestin gesagt hat. Mag sein, dass Maynier uns in Ruhe lässt, solange wir ihn in Ruhe lassen. Doch sobald wir Anstalten machen, seine Verstrickung in die Geschichte ans Licht zu bringen, sind wir tot!»
«Ich weiß», sagte Fabiou. «Ich gehe trotzdem, mit oder ohne Eure Erlaubnis. Ich bin der Baroun de Bèufort. Ich bin das meinem Vater schuldig.» Er wusste, das Argument zog immer.
Frederi ließ die Feder auf den Tisch fallen und drückte stöhnend die Hand gegen die Augen. «Mein Gott, du bist so ein Dickschädel!
Du wirst Pierre mit jedem Tag ähnlicher!»
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«Könnte daran liegen, dass wir verwandt sind», meinte Fabiou ungerührt.
«Also gut», Frederi seufzte und wischte einen Tintenfleck von der Tischplatte, «gehen wir eben zurück nach Ais.»
«Wir?»
«Und wenn du dich auf den Kopf stellst, Baroun de Bèufort , t ich werde dich nicht allein gehen lassen!»
Die Dame Castelblanc tobte wie eine Furie und heulte wie ein Schlosshund, doch ungeachtet ihres Protestes brachen Frederi und Fabiou am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang zusammen mit Bruder Antonius nach Ais auf. Fabiou umarmte Loís zum Abschied, den missbilligenden Blicken seiner Mutter zum Trotz. Er wusste, Loís würde nicht mehr da sein, wenn er zurückkehrte. Falls er zurückkehrte.
Diesmal, mit schnellen Pferden ausgestattet und ohne die Last einer Kutsche, brauchten sie nur bis zum Nachmittag, um die Stadt zu erreichen. Über Ais lag die ausgelassene Stimmung der ausgehenden saison , überall flanierten herausgeputzte junge Herren mit den ihnen versprochenen jungen Damen durch die Straßen, während Ammen und alte Tanten ihnen als Anstandsdamen hinterherdackelten. Fabiou dachte, dass, wäre es nach den Plänen seiner Mutter gegangen, auch Catarino und Cristino jetzt am Arm eines dieser jungen Galane durch die Stadt zögen, am liebsten am Arm eines Alexandre de Mergoult, fügte er im Geist grimmig hinzu. Stattdessen saß Cristino jetzt einsam und allein auf Castelblanc, und Catarino war Gott weiß wo.
Als sie das Haus erreichten, teilte ihnen der Pförtner mit, dass die Familie abwesend sei; sie befänden sich in der Kapelle des Konvents der Clarissinnen, wo zur Stunde die Totenmesse für die ehrwürdige Mutter Oberin Consolatoria abgehalten würde. Frederi, Fabiou und Antonius lenkten ihre Pferde sofort zur Carriero de Santa Clara, doch es war bereits zu spät, beim Konvent teilte man ihnen mit, die Messe sei vorbei, die Trauergemeinde zum Friedhof weitergezogen, wo die Beisetzung stattfinden würde. Als sie den Friedhof erreichten, war der Sarg bereits in die Erde gesenkt und die Trauernden im Begriff, den Friedhof zu verlassen. Frederi hastete auf Oma Felicitas zu, die auf einen Stock gestützt 1061
dem Ausgang zuhumpelte. Als sie ihn bemerkte, blieb sie stehen.
«Gut, dass ihr wenigstens wohlauf seid», sagte sie leise. Fabiou sah, dass sein Stiefvater mit den Tränen kämpfte. «Es tut mir so leid», sagte er. «Ich habe versucht, sie davon abzuhalten, uns zu folgen.»
«Du hättest sie nicht davon abhalten können», sagte Felicitas. «Beatrix war noch nie bereit, ihrem Bruder in irgendetwas nachzustehen.»
Frederi nickte stumm. Dann weiteten sich seine Augen, und das Blut schoss in sein Gesicht, während er starr auf einen Punkt hinter Felicitas’ Schulter sah. Erstaunt blickte Fabiou in dieselbe Richtung.
An der Seite seiner Frau schritt Philomenus Breix zwischen den Gräber einher.
«Philo», sagte Frederi. Seine Stimme klang hohl.
Wie erstarrt blieb Philomenus stehen. Sein Gesicht war grau wie Mörtel.
Eusebia musterte erst Frederi und dann Fabiou vom Kopf bis zu den Zehen. «Ist das ein Aufzug, in dem man auf einer Beerdigung erscheint?», keifte sie. Niemand nahm Notiz von ihr.
«Oh
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