Die Kinder des Ketzers
ein Aberglaube, oder eine Provokation, ich weiß es nicht. Dieser Schriftzug jedenfalls war es, der ihnen den Namen ‹Antonius-Jünger› einbrachte. Nichts war vor ihnen sicher, keine Kutsche, kein Hof eines Reichen, nicht mal die Anwesen der Edlen selbst. Man fürchtete sie wie die Pest und die Türken! Als ihre Raubzüge immer gewalttätiger wurden und sie schließlich auch vor gemeinem Mord nicht mehr zurückschreckten, rückten ihnen endlich im August 1545 die Edelleute der Umgebung in Zusammenarbeit mit dem Vizelegaten des Comtat zu Leibe. Sie spürten sie irgendwo im Luberoun auf. Der Kampf war verlustreich, unter den Räubern war ein ausländischer Söldner, ein gewisser Nicoulau, ein Italiener, so weit ich weiß, der sie militärisch ausgebildet hatte. Doch schließlich wurden die Antonius-Jünger besiegt. Die meisten von ihnen wurden im Kampf getötet oder wenig später in Ate hingerichtet, ihre Weiber und Kinder warf man in den Kerker, meines Wissens ist kaum einer entkommen. Sonst noch Fragen?»
«Hm… nun ja…» Fabiou ignorierte gekonnt den Blick des Cavaliés, der ihm eindeutig nahelegte, keine weiteren Fragen mehr zu haben. «Diese Antonius-Jünger… haben sie manchmal Pferde gestohlen?»
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«Pferde?» Crestin seufzte. «Die hätten eine eigene Zucht aufmachen können mit den Gäulen, die sie zusammengeklaut haben. Warum fragt Ihr?»
«Nun», sagte Fabiou, «weil die, die den ausländischen Kaufmann ermordet haben, sein Pferd samt Sattel und gefüllten Satteltaschen zurückgelassen haben. Etwas untypisch für einen Raubmord, findet Ihr nicht auch? Insbesondere, da sie sich die Zeit genommen haben, das Pferd an einer Baumwurzel anzubinden!»
Frederis Augen schickten Blitze zu ihm hinüber. Crestin betrachtete ihn mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Belustigung und Ärger schwankte. «Einen scharfsinnigen Sohn habt Ihr, Cavalié, ich muss schon sagen», meinte er spöttisch. «Würdet Ihr mich vielleicht darüber aufklären, junger Herr, was Euch auf die Idee bringt, dass es sich bei dem Erschlagenen um einen ausländischen Kaufmann handelt?»
Leck mich, Frederi! «Nun, zunächst einmal die Kleidung. Sie war ungewöhnlich, ich habe solche Gewänder bisher nur bei Kaufleuten aus dem Reich gesehen. Und außerdem hatte er das hier bei sich.»
Fabiou legte den Lederumschlag auf den Tisch. «Da sind Papiere drin, seht selbst.»
Crestin bedachte Fabiou mit einem scharfen Blick und schlug langsam das fleckige Leder auseinander. «Seht Ihr?», rief Fabiou erregt, als der Viguié das oberste Blatt Pergament ergriff und ans Licht hob. «Das ist weder Latein noch Französisch noch sonst eine Sprache, die mir bekannt vorkommt. Was meint Ihr, könnte das Deutsch sein?»
«Möglich.» Crestin ließ das Blatt wieder auf den Stapel fallen. «Gut, er war also Ausländer. Und seine Mörder haben aus irgendeinem unerfindlichen Grund sein Pferd stehen lassen. Na und?»
«Es ist unlogisch!», rief Fabiou aus. «Wenn den Gesetzen der Logik zufolge ein Raubmörder jemand ist, der Menschen erschlägt, um ihnen ihr Hab und Gut zu stehlen, dann kann einer, der einen Menschen erschlägt, aber die Hälfte seines Besitzes zurücklässt, kein Raubmörder sein.»
«Fabiou!» Frederis Stimme klang nach Ärger.
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«Und, was wollt Ihr damit sagen, junger Studiosus?», fragte Crestin spöttisch. «Dass der Tote aus Gründen der Logik gar nicht tot sein kann oder was?»
«Nein!», sagte Fabiou bestimmt. «Aber dass dieser Mord vielleicht gar kein Raubmord war, sondern dass der Fremde aus einem ganz anderen Grund ermordet wurde. Wer weiß… eine Familienfehde, ein Eifersuchtsdrama, ein Erbstreit… Und dass es dem Mörder oder den Mördern unheimlich wichtig war, dass wir die Schrift auf dem Hals des Pferdes sahen, und sie es deswegen angebunden haben.»
Crestin verdrehte die Augen. «Ihr lest zu viele schlechte Romane, junger Mann. Das solltet Ihr unterbinden», fügte er zu Frederi gewandt hinzu, «so etwas verdirbt die Jugend.»
«Ja, aber…», begann Fabiou.
«Logik, mein Junge, hat auf die Handlungen von Räubern keinen allzu großen Einfluss», erklärte Onkel Philomenus großspurig.
«Die denken nicht logisch, glaube mir, ich habe schon mit vielen zu tun gehabt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt denken, wenn man ihr viehisches Verhalten betrachtet. Was weiß
ich, warum sie das Pferd zurückgelassen haben. Vielleicht glauben sie, es bringt Unglück, ein Pferd zu stehlen. Vielleicht
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