Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
Vom Netzwerk:
konnten sie sich nicht einigen, wer es bekommt, und ließen es daher lieber ganz zurück. Vielleicht haben sie Angst vor Pferden. Ich meine, die Tatsache, dass die Geldbörse des Toten fehlte, ist ja schon der Beweis dafür, dass das Ganze ein Raubmord war.»
    «Das ist kein Beweis – das ist bestenfalls ein Indiz», sagte Fabiou, entsetzt über so viel argumentatorischen Unverstand. «Ich meine, jemand könnte die Börse absichtlich mitgenommen haben, um vorzutäuschen, dass es sich um einen Raubmord handelt. Vielleicht… vielleicht steht in den Papieren etwas drin, was uns einen Hinweis gibt. Wir könnten sie übersetzen lassen, wir müssten nur jemanden finden, der Deutsch kann, und dann…»
    «Ich denke nicht, dass das nötig sein wird», unterbrach ihn Crestin und gab ihm das Päckchen mit den Papieren zurück. «Was immer es mit dieser seltsamen Inschrift auf sich hat, wir können wohl als gesichert annehmen, dass der Reisende das Opfer eines Raub128
    mordes wurde. Mehr, als ihm ein christliches Begräbnis zukommen zu lassen, können wir wohl kaum noch für ihn tun.»
    «Einen Augenblick», rief der Senher aus, «Ihr werdet diese Räuber doch hoffentlich verfolgen und ihrer gerechten Strafe zuführen, oder?»
    Crestin seufzte, tief und verzweifelt. «Senher, habt Ihr eine Ahnung, wie viele Menschen alljährlich zwischen hier und dem Luberoun von Räubern erschlagen werden? Nein? Und wisst Ihr, wie viele davon wir fassen und ihrer ‹gerechten Strafe zuführen›, wie Ihr es zu nennen beliebt? Nein? Eine Nadel in einem Heuhaufen zu finden ist leichter als einen Räuber in den Schluchten des Luberoun, zumal wir nicht die geringste Ahnung haben, nach wem wir eigentlich suchen. Selbst wenn ich nichts anderes zu tun hätte, als Eure Räuberbande zu suchen, wären unsere Chancen auf Erfolg verschwindend gering. Und ob Ihr es glaubt oder nicht, ich habe etwas anderes zu tun. So, meine Herren, ich denke, das war’s, ich danke für Eure Bemühungen und wünsche noch einen guten Tag!»
    Er sagte das in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
    «Aber sollten wir nicht wenigstens versuchen herauszufinden, wer der Tote war, damit wir seine Familie benachrichtigen können?», fragte Fabiou.
    «Mein Junge, kein Kaufmann geht auf eine so weite Reise, ohne sein Testament zu machen. Wenn er nicht zurückkehrt, wird die Familie wissen, was die Stunde geschlagen hat. Adiéu, meine Herren!»
    Der Cavalié de Castelblanc und sein Schwager, der Senher d’Auban, explodierten quasi gleichzeitig, kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatten und wieder auf der Straße standen. «Für wen hält der sich, dieser aufgeblasene, arrogante Wicht?», brüllte Onkel Philomenus, und sein Gesicht verfärbte sich so blaurot, dass Fabiou befürchtete, ihn könnte stehenden Fußes der Schlag treffen.
    «Wie kann so eine Stadtratte sich einem Edlen gegenüber solche Unverfrorenheiten herausnehmen, eine Schande ist das! Und das mir, dem persönlichen Vertrauten des dritten Gerichtspräsidenten und Mitglied im Conseil de Ville ! Das Bürgertum ist der Untergang dieses Landes, ich sag’s ja immer!»
    129
    «Wie kannst du mich so bloßstellen!», schrie der Cavalié Fabiou an. «Hast du schon mal etwas davon gehört, wie man sich in deinem Alter in der Gesellschaft Erwachsener zu benehmen hat? Reißt hier deinen Mund auf, als wärst du Aristoteles persönlich! Wenn du es wagst, dich noch einmal so aufzuführen, dann sperre ich dich für den Rest des Sommers in deinem Zimmer ein, dann kannst du deine klugen Reden vor den Wanzen halten, hast du verstanden?»
    «Das ist die heutige Zeit», sagte der Senher. «Die Protestanten sind schuld, ich sag’s ja immer! Kein Respekt mehr vor der Kirche, kein Respekt mehr vor dem Adel, kein Respekt mehr vor Erwachsenen! Sittenverfall. Mit diesem Land hier geht’s bergab, Frederi, ich sag’s dir. Ein paar Jahre noch, und wir werden in Höhlen herumkriechen und rohes Fleisch essen wie die Wilden in Afrika!»
    «Ich habe deinem Vater auf dem Totenbett versprochen, einen anständigen Menschen aus dir zu machen!», schrie Frederi, den Zeigefinger spitz auf Fabious Brust gerichtet. «Denkst du manchmal auch daran, dass mit deinem Namen, deinem Erbe Verpflichtungen verbunden sind? Baroun de Bèufort nennst du dich, aber die einfachsten Regeln des Anstandes sind dir fremd!» Allmählich blieben die Leute auf der Straße stehen und drehten sich um, was es denn da für einen Aufruhr gab.
    «Alle aufhängen

Weitere Kostenlose Bücher