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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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schließlich heraus: «Die Antonius-Jünger sind zurück.»
    Das Rascheln verstummte. Der Viguié war in seiner zurückgelehnten Haltung erstarrt, sein hageres Gesicht war in einer Grimasse eingefroren, die man am ehesten noch als Grinsen bezeichnen konnte. Dann lehnte er sich ruckartig nach vorne. «Was sagt Ihr da?», fragte er. Hätte der Senher Westindisch gesprochen, hätte er nicht verständnisloser dreinblicken können.
    «Jawohl, die Antonius-Jünger.» Mit einem zufriedenen Lächeln über das erregte Aufsehen lehnte Onkel Philomenus sich zurück.
    «Sie haben bereits einen Reisenden beraubt und erschlagen und meine Schwester samt ihrer unschuldigen Töchter entführt, und ohne das beherzte Eingreifen des Baroun von Buous müssten wir jetzt wohl auch um sie trauern.» Onkel Philomenus brachte wie immer alles durcheinander.
    «Und was…», der Viguié unterbrach sich und schüttelte heftig den Kopf, als müsse er sich aus einem Traum hervorkämpfen, «und was bringt Euch auf die wahnwitzige Idee, dass diese Verbrechen von den Antonius-Jüngern verübt worden sind?»
    Onkel Philomenus grinste triumphal. «Sie haben ihr Sigel am Ort der Bluttat zurückgelassen. In Blut gepresst! Mein Schwager, der Cavalié de Castelblanc, und mein Neffe, die hier vor Euch sitzen, haben es mit eigenen Augen gesehen, ebenso der Baroun de Buous mit seinen Söhnen und einige weitere Edelmänner! Es gibt keinen Zweifel!»
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    «Moment mal, Moment…» Die Augen des Viguié schwangen zu Frederi hinüber, der auf seinem Stuhl kauerte wie das arme Sünderlein und irgendwo in Richtung Fenster blickte. Augen unter schmalen, dunklen Augenbrauen, scharf und grau wie eine Messerklinge. «Was habt Ihr gesehen, Cavalié?» Frederi wollte den Mund öffnen, doch der Senher kam ihm zuvor. «Na, die Schrift!», rief er aus. «Auf den Hals des Pferds des Erschlagenen geschrieben, mit Blut! Santonou!»
    Der Blick des Viguié war nicht einen Zoll von Frederis Gesicht abgerückt. «Ist das wahr? Das habt Ihr gesehen?»
    Der Cavalié rutschte etwas unbehaglich auf seinem Stuhl herum. «Hm. Ja.»
    Crestin holte tief Luft und ließ sich wieder zurücksinken. «Die Antonius-Jünger gibt es nicht mehr», sagte er. «Sie wurden im Sommer ‘45 hingerichtet, bis auf den letzten Mann.»
    «So meint man!», sagte der Senher eifrig. «Aber was, wenn ein paar von ihnen damals doch entkommen sind? Was, wenn sie sich wieder gesammelt haben, um erneut ihrem schändlichen Treiben nachzugehen? Was, wenn jemand anderes ihnen nacheifert und nun nach ihrem Vorbild und in ihrem Namen unser Land mit Raub und Mord überzieht?»
    Crestin betrachtete den Senher zweifelnd, doch ein Hauch von Beunruhigung war seinem Gesicht nicht mehr abzusprechen. Fabiou warf einen Blick zu Frederi hinüber, doch da der noch immer mit einem Ausdruck äußerster Konzentration eine Taube auf dem Fensterbrett beobachtete, beschloss er, der Verhandlung nicht länger kommentarlos zu folgen, und stellte die Frage, die ihm seit etwa vier Stunden auf der Zunge lag: «Mèstre Viguié, wer waren bitte diese Antonius-Jünger?»
    Der Viguié sah ihn überrascht an. Er war offenbar davon ausgegangen, dass Fabiou über das, was seine älteren Anverwandten hierher getrieben hatte, bestens Bescheid wüsste. «Das wisst Ihr nicht?»
    «Nein.» Mir sagt ja keiner etwas!
    «Nun», Crestin warf Frederi und Onkel Philomenus einen unwilligen Blick zu, «die Antonius-Jünger waren eine Räuberbande, die zwischen 1540 und ‘45 die Gegend hier unsicher gemacht hat. 125
    Hungerleider allesamt, geflohene Leibeigene, verarmte Bauern und ähnliches Gesindel. Ihr Anführer war ein gewisser Joan. Joan lou Pastre – Joan der Schäfer. Er hielt sich für so eine Art Propheten einer neuen Zeit, sprach dem Adel und selbst dem König das Recht auf Herrschaft ab und forderte die Herrschaft des einfachen Volkes und die Verteilung aller Güter an die Armen. Klar, dass ihm das Gesocks in Scharen zuströmte, ihm und seinen Leuten, zu ihren besten Zeiten hatten sie einen Trupp von über hundert Männern zusammen, dazu eine Horde von Frauen, Kindern und Greisen, die sich von ihnen durchfüttern ließen. Das Dorf, aus dem die meisten von ihnen stammten, hatte den heiligen Antonius zum Schutzpatron – Santonou in ihrem Dialekt. Sie verkrochen sich in den Schluchten des Luberoun und überzogen von dort aus das Land mit ihren Raubzügen. Ihr Zeichen war der Schriftzug Santonou, den man stets irgendwo am Ort ihrer Verbrechen fand,

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