Die Kinder des Ketzers
quengelte Frederi Jùli, während sie dem Ausgang zustrebten.
Die Abendsonne stand tief, als sie den Friedhof erreichten. Oma Felicitas schritt voran, wie es schien verbissen um einen halbwegs aufrechten Gang bemüht, gleich einem alten Soldaten auf einer Parade. Onkel Philomenus hielt seine Schwester am Arm, die sich auf ihn stützte und irgendetwas jammerte vom Schmerz, an den Gräbern der Liebsten zu stehen. Tante Eusebia gluckte um Theodosiusdas-Großmaul herum, der seiner überschäumenden Lebhaftigkeit gerade durch gewaltsame Tritte gegen die Grabsteine Ausdruck verlieh. Der Cavalié de Castelblanc ging etwas abseits, die Augen halb gegen die sinkende Sonne zusammengekniffen. Sein Gesicht war still und abwesend.
Die Grabstätte der Familie Auban lag im hinteren Teil des Friedhofs, inmitten anderer ehrbarer, edler und ziemlich unbedeutender Familien. Neugierig verrenkte Fabiou den Hals, dies war sein erster bewusster Besuch beim Grab seiner Familie. Ein hoher Stein in der Mitte, hic requiescent Martinus et Maria Valonus, so die Inschrift, und dann eine Aufzählung ihrer Tugenden und Verdienste, und schließlich ihre Lebensdaten, MCDLV – MDXXV, 1455-1525, und MCDLXIII – MDXXVII, 1463-1527. Oma Felicitas’ Eltern. Rechts davon zunächst ein schlanker Grabstein, dessen feine Verarbeitung selbst jetzt, wo Wind und Wetter längst ihr zerstörerisches Werk getan hatten, noch deutlich ins Auge fiel. Filiae adoratae Fortunae Valonae, sagte die Inschrift, MCDLXXXVIII – MDIV, 1488-1504. Es folgte ein pompöser Grabstein, verziert mit allerlei Wappen und Bannern, dem Hauswappen der Aubans und der Valouns, den Wappen von Ais und der Provence und Frankreich und natürlich dem 147
Wappen der Bourbonen als Zeichen, für wen der hier Begrabene, niemand anders als Großmutters Gatte Robon d’Auban, einst sein Leben gab. Entsprechend heroisch auch die hier in französisch gehaltene Inschrift, donnant sa vie dans le service et pour l’honneur du Roi de France und so weiter.
Die Grabsteine zur Linken waren einfacher gehalten. Eine unauffällige Steinplatte, deren Inschrift knapp verriet, dass hier Rouland Avingou und seine Frau Beatitudo, geborene Auban, ihrer Auferstehung harrten, geboren 1480 beziehungsweise 1485, gestorben 1547 und 1545. Daneben ein nicht minder einfacher Stein, den eine griechische Inschrift zierte.
εγω εις τουτο γεγεννημαι και εις τουτο εληλυθα εις τον
κοσμον ινα μαρτυρησωτη αληθεια
Ιωαννην 18/18
Ego eis touto gegennemai kai eis touto elelytha eis ton kosmon hina martyreso-te-aletheia, las Fabiou leise für sich. Ein Bibelzitat. Christus spricht, ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablegen soll, Johannes 18, Vers 18. Darunter stand, unserem geliebten Sohn und Bruder Pierre Martin Avingou, geboren am 5. Juni 1516 zu Aix, gestorben am 5. Mai 1545 ebenda, Jesus ist unsere Hoffnung.
Links neben letzterem stand, ein kleines bisschen abgerückt, ein weiterer Stein, noch etwas kleiner, noch etwas einfacher in seiner Behauung, so als wäre bei dieser Beerdigung endgültig das Geld ausgegangen. Einfache kantige Lettern, glatte, eckige Konturen, die einzige Zier ein in den Stein gemeißeltes, schmuckloses Kreuz und darunter ein Becher, Jesu Kreuz und Jesus in Brot und Wein. Darunter nur drei Worte, Fiat voluntas tua, Dein Wille geschehe, und dann der Name, einsam im Grau des Steins, Cristou Kermanach de Bèufort, 1521-1545. Theodosius-das-Großmaul trat auf einem Grab weiter zur Rechten ein Weihwassergefäß um, Schnuckelchen, das darfst du nicht, säuselte Tante Eusebia. Ach, mein Cristou, schniefte die Dame Castelblanc und tupfte sich die Augen mit einem weißen Spitzentaschentuch. Frederi stand ruhig, die Hände hinter dem Rücken 148
verschränkt. Die Abendsonne tauchte sein Gesicht in blutroten Glanz.
Theodosius-das-Großmaul trat ein weiteres Weihwassergefäß
um. «Bene», sagte Oma Felicitas, «zwei Möglichkeiten, Philomenus, ad unum, du versohlst dieser kleinen Pest endlich den Hintern, ad altrum, ich tue es.» Philomenus ignorierte sie. «Das ist euer Großvater, Kinder», verkündete er, auf den pompösen Grabstein in der Mitte weisend. «Ein großer Mann, fürwahr, ein tapferer Krieger, wahrer Edelmann und gläubiger Sohn unserer Mutter Kirche. Nehmt euch ihn zum Vorbild, Jungs, seinen Großmut, seine Tapferkeit, seine Kraft, solche Söhne und Neffen will ich
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