Die Kinder des Ketzers
ermordet.» Catarino verdrehte die Augen. 144
«Ist doch egal. Er hat am Weg gelegen, kurz vor Ais, und er ist auch erstochen worden, sagt Fabiou, und er sagt auch, dass es auch kein Raubmord war, weil das Pferd noch da war!»
«Da fällt mir ein…» Fabiou suchte in seinem Wams herum. «Du kannst doch Deutsch, Antonius, oder?»
Er lachte. «Nun, ich hoffe, dass ich es noch kann, ich habe es in den letzten Jahren nur selten gebraucht…»
Fabiou zog das Lederpäckchen aus seinem Wams hervor. «Kannst du versuchen, das zu übersetzen?»
Langsam schlug Antonius das Leder auseinander und blätterte durch die Seiten. «Was ist das?»
«Es gehörte dem Ermordeten – ein deutscher Kaufmann, wie es scheint. Ich hätte gern mehr über ihn gewusst.»
«Nun ja – ich werde mein Bestes geben…»
«Das war eine seltsame Geschichte», sagte Fabiou kopfschüttelnd. «Wie gesagt, das Pferd war noch da – angebunden an eine Baumwurzel – und auf dem Hals des Pferdes stand Santonou geschrieben.»
Vermutlich ließ das fahle Licht, das durch die hohen Spitzbogenfenster in das Kirchenschiff fiel, Bruder Antonius’ Gesicht in diesem Moment so bleich erscheinen. «Wie war das?», fragte er.
«Santonou?»
«Ja.» Fabiou betrachtete ihn prüfend, doch Antonius lächelte, und sein Gesicht hatte die normale Farbe zurück. «Man hat mir gesagt, das sei das Zeichen einer Räuberbande gewesen, der Antonius-Jünger. Sagt dir das etwas?»
«Ich habe davon gehört», meinte Bruder Antonius. «Das ist aber schon ein paar Jahre her, glaube ich.»
«1545», antwortete Fabiou.
«Fabiou. Frederi. Mädchen.» Die Stimme des Cavaliés vom Eingang. «Kommt, wir wollen gehen.»
«Ich komme mit.» Bruder Antonius stellte seufzend fest, dass seine Mitbrüder bereits über alle Berge waren. Seinem unbehaglichen Gesicht entnahm Fabiou, dass dieser Umstand vermutlich Ärger nach sich ziehen würde.
145
Der Weg zum Friedhof führte direkt am Augustinerkonvent in der Carriero dei Salin vorbei, so dass sie dieses Stück des Wegs zusammen gehen konnten. «Hier ist es», sagte Antonius nicht ohne Stolz, als sie vor dem Eingang des Konvents standen. «Das ist die Tür zur Kapelle, und das…»
«Da drin ist der abgemurkst worden?», rief Frederi Jùli aufgeregt, und bevor Fabiou es hätte verhindern können, hatte er die Tür aufgerissen und war nach drinnen gestürzt. «Frederi! He!» Wütend rannte Fabiou hinter ihm her. Er stand in einer niederen, düsteren Kapelle, nur schummrig beleuchtete vom Licht, das durch kleine, trübe Fenster ins Innere fiel. Die Kapelle war öffentlich, und im Normalfall hätte man in ihrem Innern ein paar betende alte Weiber erwartet. Doch heute waren die einzigen Anwesenden zwei junge Novizen, die vor dem Altar standen und mit Lumpen die Wand und den Boden abschrubbten. Hinter Fabiou klappte die Tür, als auch Bruder Antonius und die beiden Mädchen in den Innenraum traten. Fabiou starrte nachdenklich auf den Altarraum. Dann, plötzlich, verengten sich seine Augen und er machte einen Schritt auf den Altar zu. «Sag mal, was machen die da?» Er wies auf die beiden Novizen, die jetzt auf dem Gestühl in der Kapelle standen und auf Zehenspitzen die Wand über ihrem Kopf abschrubbten.
«Da war ein Blutschmierer», erklärte Bruder Antonius.
«Da oben? Seltsam», meinte Fabiou.
«Vielleicht hat Bruder Servius ja dort hingefasst – im Todeskampf», meinte Cristino schaudernd. Allein der Gedanke drehte ihr den Magen um. Wäre es nicht um das Wiedersehen mit Bruder Antonius gewesen, sie hätte längst fluchtartig die Kapelle verlassen.
«Um dahin zu kommen, hätte er auf die Bank klettern müssen», erklärte Fabiou kopfschüttelnd. «Nicht gerade das übliche Verhalten Sterbender.»
«Aber wer hätte das Blut sonst dahin schmieren sollen?», fragte Bruder Antonius. Seine Stimme klang fast etwas ärgerlich. «Der Mörder vielleicht? Warum hätte er das tun sollen?»
146
«Ich weiß nicht», antwortete Fabiou. «Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, hinter der Sache steckt mehr als ein einfacher Raubüberfall.»
Die Tür wurde wieder geöffnet. Frederi. Er bekreuzigte sich vor der Marienstatue zur Rechten. «Kommt jetzt», forderte er die Kinder auf. «Adiéu, Bruder Antonius. Bis demnächst.»
«Also, bis bald – wir werden uns jetzt ja wohl wieder öfter sehen.» Bruder Antonius lächelte Frederi Jùli an.
«Och, ich finde das gemein – ihr könnt euch den ganzen Sommer amüsieren, und ich muss lernen»,
Weitere Kostenlose Bücher