Die Kinder des Ketzers
Trévigny? Arnac de Couvencour? – und sie in seine Arme schloss und nach draußen trug, und sein Mund näherte sich ihren Lippen, und…
«Oder die da, Cristino, die mit der aufgenähten Goldborte, was meinst du? He, Cristino!»
«Ich… ich hätte gern diese hier», flüsterte Cristino kaum hörbar und berührte vorsichtig mit dem Finger die silbernen Schuhe. 158
Ein Gefühl, als streiche man über das Fell einer Katze, nur sanfter, kühler.
«Die? Die sind doch affig! Damit siehst du aus, als ob du als Hofdame an den spanischen Königshof willst!», meinte Catarino kopfschüttelnd.
Trévigny. Trévigny würden sie gefallen. Wie eine Prinzessin würde sie darin aussehen, gekleidet in Gold und Silber, und ganz bestimmt würde sich der Comte de Trévigny in sie verlieben…
oder Arnac de Couvencour…
Heftig schüttelte Cristino den Kopf. Was hatte sie schon davon, wenn sich irgendjemand in sie verliebte, sie liebte schließlich Arman de Mauvent, und sonst niemanden. Aber trotzdem – die Schuhe waren einfach sooo schön!
«Also, ich hätte gerne, wie gesagt, welche mit Schnallen…», meinte die Dame Castelblanc, und Meister George versicherte ihr, dass es natürlich kein Problem sei, ihr derartige Schuhe zu fertigen, wenn sie sich gerade setzen würde, die Maße…
Der Meister selbst nahm Maß, erst der Dame Castelblanc, dann den beiden jungen Damen, wie er es ausdrückte, und die Zuvorkommenheit und der Respekt, mit der er sie behandelte, verursachte bei Cristino ein prickelndes Gefühl in der Nackengegend. Also einmal mit Schnallen, ja? Und die jungen Damen? Einmal die Schuhe in rosé? Eine gute Wahl, meine Dame, eine sehr gute Wahl, elegant, dieses Stück, wirklich elegant… Und die andere junge Dame?
«Ich möchte die Silbernen», meinte Cristino hartnäckig. Catarino verdrehte die Augen. Der Preis war der erwartete, aber Frederi war ja zum Glück nicht dabei. «Bis morgen Abend, ja?», vergewisserte sich die Dame Castelblanc. «Das reicht bis zum Fest bei den Ardoches.»
Draußen war Frederi Jùli inzwischen auf den Kutschbock geklettert, wo er elegant mit einer unsichtbaren Peitsche in der Luft herumwedelte und «Aus dem Weg, Platz für die Kutsche des Königs» schrie. Die Mutter zitierte ihn nach drinnen zurück. «Also, wirklich, Frederi, du bist der Sohn eines Edlen, was sollen denn die Leute denken!», rief sie.
«Gibt’s denn keine Edlen, die Kutscher sind?», fragte Frederi Jùli enttäuscht.
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«Bardou, zu Mèstre Adréu», befahl die Dame Castelblanc. Mèstre Adréu war der Schneider der Aubans.
«Dann werde ich halt Ritter und ziehe in den Krieg», spann Frederi Jùli seinen Gedankengang weiter.
«Ich will nicht zum Schneider. Ich kriege ja sowieso kein Kleid!», nörgelte Catarino.
«Ich will auch nicht zum Schneider. Können wir nicht an der Plaço dis Erbo aussteigen und ein bisschen den Markt anschauen?», fragte Fabiou. «Loís könnte doch mit uns kommen, zu unserem Schutz», fügte er rasch hinzu, bevor seine Mutter ein Geschrei über die Unsicherheit der Märkte anstimmen konnte – heutzutage!
«Also gut», seufzte die Mutter. «Ich hole euch nachher ab – wo soll ich euch abholen?»
«An der Tourre dou Grand Relògi», schlug Fabiou vor.
«Gut, von mir aus.»
Die Plaço dis Erbo war ein Gewühl von Marktständen und Menschen, als die vier Geschwister und ihr Diener dort ausstiegen. Die Kutsche rumpelte weiter, Hühner und schmutzige kleine Kinder beiseite scheuchend. Auf Fabious Gesicht war ein glückseliges Strahlen getreten. Das war Leben, Leben, wie es brodelt und schäumt, der pochende Herzschlag der Stadt. Bauern, die in abgetragenem, schmutzverklebtem Wams die ersten Früchte des Jahres den Städtern zum Verkauf anboten, Marktweiber, die hinter ihren Ständen ihre Ware anpriesen, Händler, in deren Auslage man vom Zahnstocher bis zur Öllampe so gut wie alles kaufen konnte, schmutzige Kinder, die zwischen den Ständen Fangen spielten, magere Hunde auf der Suche nach etwas Essbarem, das von den Auslagetischen fiel, Studenten in ihren langen dunklen Umhängen, manche kaum älter als Fabiou, die herumblödelten oder auf dem Brunnenrand sitzend ihr Mittagessen verzehrten. Ein Spielmann saß im Schatten des Brunnens, zupfte an einer Gambe und sang dazu ebenso laut wie falsch eine Sonette von Ronsard, ein altes Weib, gekleidet wie eine Zigeunerin, mit großen Ringen in den Ohren und einem bunten Tuch über dem Haar, streckte den Passanten eine knochige Hand
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