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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Junge.»
    «Warum nicht?», fragte Frederi enttäuscht.
    «Weißt du», ein spöttisches Lächeln auf dem Gesicht des Gauklers, «er war auch so ein frecher, unverschämter Kerl wie ich. Deshalb haben sie ihm im Gefängnis beide Beine gebrochen, und 164
    er kann nur noch an Krücken gehen. Schade, nicht? Er war ein Künstler.» Und während Frederi Jùli ihn noch mit offenem Mund anstarrte und Cristinos Gesicht jede Farbe verlor, war er bereits mit einem Handstandüberschlag in der Mitte des Kreises und rief:
    «Und nun zu unserer nächsten Darbietung: Gustave, der stärkste Mann der Welt!»
    «Lasst uns gehen!», sagte Catarino schnippisch.
    «Du bist ja auch echt blöde, Fabiou!», schimpfte sie, als sie wieder durch die Marktstände schlenderten, Äpfel zur Rechten, Tonschüsseln zur Linken. «Was gibst du diesem anmaßenden Kerl auch noch Geld? Wie der mich angesehen hat! Ich hätte wirklich die Wache rufen sollen!»
    Fabiou seufzte tief. Natürlich, Catarino war noch nie ein Musterbeispiel weiblicher Zurückhaltung gewesen. Aber die Respektlosigkeit, die sie ihm, ihrem einzigen männlichen Verwandten gegenüber an den Tag legte, suchte wirklich ihresgleichen.
    «Er war so seltsam, dieser Gaukler», murmelte Cristino. «Seine Augen – man hat richtig gefroren, wenn man hineinsah.»
    «Oh, Cristino, werde nicht wieder dramatisch!», stöhnte Catarino.
    «Er war wirklich eigenartig», sagte hinter ihnen leise die Stimme von Loís. «Als ob er den Ärger regelrecht sucht!»
    Catarino fuhr herum. «Dich hat wohl keiner nach deiner Meinung gefragt, Diener!», fauchte sie.
    «Catarino! Führ dich nicht auf, als ob du die Königin persönlich bist!», meckerte Fabiou, doch Catarino war bereits drei Schritte weiter und nahm ihn nicht mehr zur Kenntnis. «Schau mal, Cristino», rief sie, «der schöne Schmuck!»
    Es war ein ganzes Sammelsurium aus Ketten, Ringen, Broschen und Ohrgehängen, das sich da auf einem meerblauen Tuch ausbreitete, nichts Teures oder Seltenes, Tand, billiger Schmuck für die einfachen Bürgersfrauen, und doch blieben Cristino und Catarino stehen, ließ Catarino einen Finger sanft über eine Perlenkette gleiten. «Was meinst du… würde mir so etwas stehen?», fragte sie.
    «Hm, weiß nicht…»
    «Oder die Ohrringe hier? Oder… ach, ich weiß nicht, ich denke, die sind zu klobig…»
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    «Was ist mit denen da?», fragte Cristino. «Oder die da, mit dem blauen Stein? Oder…» Sie brach ab.
    Es gibt Momente, da hat man das Gefühl, dass Dinge einen ansehen. Ein Stein am Wegesrand, eine verschlossene Tür, eine brennende Kerze. Ein silbernes Medaillon, auf ein meerblaues Tuch gebettet. Vorsichtig berührten Cristinos Finger das kühle Metall, glitten über das schlanke Relief einer Mutter Gottes, die ein zartes Kind in den Armen hielt und sie ansah voll Güte und Verständnis. Und das Medaillon erwiderte die Berührung.
    Anders hätte Cristino es nicht beschreiben können. Es war, als tastete das Medaillon seinerseits nach ihren Fingern, griff nach ihrer Hand, fragend, nachdenkend, und sie riss die Hand zurück, als habe sie etwas glühend Heißes berührt. «Was ist denn…», begann Catarino. «He. Das ist ja – merveilleux .»
    Cristino, dumme Gans, du siehst wirklich Gespenster!
    Wieder griff sie nach dem Medaillon, nahm es vorsichtig in die Hand. Es war im Durchmesser etwa halb so groß wie ihre Handfläche und so dick wie eine dickere Münze und war an einer langen, feingliedrigen Silberkette befestigt. Kühl und tröstend lag es auf ihrem Handteller, legte sanft seine Kettenglieder um ihre Finger, als habe es seine Überlegung abgeschlossen und sei zu einem Ergebnis gekommen. Dass es zu ihr gehörte.
    «He, das ist echt merveilleux !», rief Catarino bewundernd. «Das musst du kaufen, unbedingt! Und das Beste ist, du kannst es sogar in die Kirche anziehen.»
    «Was… was kostet das denn?», fragte Cristino schüchtern.
    «Hm.» Der Händler warf einen prüfenden Blick auf das Medaillon. «Hab’s selbst billig gekriegt, ist aus einem Nachlass oder so. Fünf Henri , würde ich sagen.»
    «Fabiou!», brüllte Catarino.
    Fabious Begeisterung, quasi sein ganzes Geld für so ein blödes Schmuckstück auszugeben – «Da ist die Mutter Gottes drauf, du Blasphemiker!», schimpfte Catarino –, hielt sich in Grenzen, doch da war etwas in Cristinos Augen, was keine Enttäuschung verkraftete, und brummend zählte er dem Händler seine Barschaft hin. 166
    «Das nächste Mal gehe ich alleine auf

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