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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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entgegen und verkündete mit zahnlosem Mund, dass die Zukunft in den Karten lag, ein Bettler mit nur einem Arm bat wimmernd um Almosen. Frederi Jùli stürzte 160
    quer über den Platz, wo er vor einem modernen Bauwerk stehen blieb, einem Turm, der eine Uhr von der Größe eines Wagenrads barg, armlange Zeiger, die mit lautem Klacken von Ziffer zu Ziffer rückten.
    «Was ist das?», fragte Frederi Jùli und machte riesengroße Augen.
    «Die Tourre dou Grand Relògi», erklärte Fabiou. Auch er staunte; er hatte schon viel von dieser Uhr gehört.
    « Diable », hauchte Frederi Jùli.
    «Das ist noch gar nichts», fuhr Fabiou fort. «Es gibt Pläne, die Uhr durch eine Horloge astronomique zu ersetzen. Das ist eine Uhr, die nicht nur die Stunden und Minuten und Sekunden anzeigt, sondern auch die Tage und Monate, die Jahre und die Jahrhunderte, die Mondphasen und die Bewegung der Gestirne und Sternbilder…»
    « Diable ! Gaukler!», schrie Frederi Jùli, den wissenschaftlichen Vortrag seines Bruders brutal abwürgend.
    In der Tat. Sie hatten sich am Rand des Platzes aufgebaut, und bereits jetzt waren sie von einer dichten Menschenmenge umlagert, so dass man im Moment nur ein paar fliegende Bälle über den Köpfen der Menge sah. «Kommt, schnell», schrie Frederi Jùli und rannte auf die Gruppe zu.
    In diesem Moment erschien eine Gestalt über den Köpfen. Sie musste einem anderen auf der Schulter stehen, denn bis zu den Knöcheln war sie vollständig sichtbar, ein junger Mann, gekleidet in ein rotes, enganliegendes Kostüm, auf das kleine, silberne Glöckchen aufgenäht waren, die bei jeder seiner Bewegungen hell und lustig klingelten. Er stand, die Arme ausgebreitet, und in seinem weißgeschminkten Gesicht blitzte ein Paar dunkler Augen. Die Menge war auf einmal still, sie wartete auf etwas, und plötzlich drückte sich der Gaukler von seinem Untergrund ab, um sich gleichzeitig zu einer Kugel zusammenzurollen, die durch die Luft kullerte, rotierte, einen Purzelbaum, einen zweiten, und er schnellte auseinander und stand aufrecht über den Köpfen der Menge, wohl auf den Schultern eines dritten Gauklers. Ein Aufatmen in der Menge, und Applaus, der losbrandete, «Waaahnsinn!», schrie Frederi Jùli, und gleich darauf «Platz da!», als er sich zwischen 161
    die Schaulustigen drängte. Ein paar ärgerliche Rufe zunächst, was soll das Gedrängel, doch dann wichen sie beiseite, Edelleute, und binnen weniger Sekunden war eine Lücke in der Menge entstanden, in die sich hinter Frederi auch Fabiou und die zwei Mädchen hineinschoben.
    Die Gauklertruppe bestand aus zehn Menschen. Ein Mädchen in einem weiten, lockeren Kleid, tanzend mit einem Schal, den sie dabei durch die Luft wirbelte. Drei Musikanten, eine Flöte, eine Gambe, eine Trommel. Ein breitschultriger, kräftiger Hüne mit kahlgeschorenem Kopf, der gerade damit beschäftigt war, ein paar Fackeln zu entzünden. Die Akrobaten, vier an der Zahl – drei standen in einem Dreieck beisammen, der vierte wippte lässig auf den Schultern des nächststehenden. Ein weiteres Mädchen, es stand in der Mitte des Dreiecks und jonglierte mit drei Bällen. Jemand musste dem auf den Schultern ein Zeichen gegeben haben, denn er sprang ab und landete im nächsten Moment genau umgekehrt wieder auf denselben Schultern, den Blick auf die drei Bèuforts und ihren kleinen Bruder gerichtet. «Oho!», rief er aus.
    «Hohe Gäste!» Er machte eine seltsame, übertriebene Verbeugung, bei der er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte, ruderte einen Moment lang mit beiden Armen, fing sich dann aber und stand wieder lässig und unbeschwert auf den Schultern seines Untermanns. «Tretet näher, werte Edelleute. Die Truppe von Wirbelwind Malou, dem größten Akrobaten zwischen hier und den Alpen, wird sich allergrößte Mühe geben, Euch mit ihren armseligen Künsten zu zerstreuen.» Wieder diese dramatische Verbeugung, wieder der Kampf um sein Gleichgewicht, Fabiou fragte sich, ob er das mit Absicht machte. «Nun, Herrschaften, was steht ihr so herum, macht Platz, macht Platz für unsere hohen Gäste, sonst machen sie sich noch ihre schönen Kleider an euren Lumpen schmutzig!» Er fuchtelte heftig mit beiden Händen in der Luft herum, und tatsächlich wich die Menge noch etwas auseinander, so dass die Geschwister jetzt alleine in einem freien Raum standen. Eine Gruppe Studenten auf der gegenüberliegenden Seite lachte spöttisch. Fabiou betrachtete den jungen Gaukler prüfend. Er hatte das

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