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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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schwerelos an Alexandres Seite, getragen von Lauten-und Gambenklängen, während sie eine vollkommene Bewegung an die andere reihte. Vergessen waren ihre zu engen Schuhe, vergessen war die Erinnerung an Arman de Mauvent und ihr Gelöbnis von ewiger Liebe. Sie befand sich in einem Universum, das nur noch aus diesem Tanz bestand, in dem jede andere Realität zerfloss, in dem sie der Mittelpunkt der Welt war, um den herum das All sich drehte, die Sonne, der Mond, die Sterne. Fernen Geistern gleich standen die Zuschauer des Tanzes an den Wänden, sie erahnte das 199
    Gesicht ihrer Mutter, deren Blick sprach, immerhin ist er der natürliche Sohn des Parlamentspräsidenten, und sie lächelte ihr zu, wie man über eine halb vergessene Erinnerung lächelt. Dann war Mergoult verschwunden, und sie tanzte am Arm von Sébastien de Trévigny, und schneller drehte sich die Welt, die Mutter verschwunden, Alessia verschwunden, ein kurzer Blick auf Catarino am Arm eines jungen Mannes, Roubert de Buous, wie es schien, oder war auch dies ein Trugbild, Himmel, Cristino, du hättest den Wein nicht trinken sollen, du weißt doch genau, dass du nichts verträgst, du blöde Gans…
    Sie erstarrte.
    Drei Schritte von ihr entfernt, vor dem hohen Fenster mit den Samtvorhängen zu beiden Seiten, stand Arnac de Couvencour. Der Schmerz holte sie ein, als sie strauchelte. Sie krümmte sich zusammen, ihre Fersen glühten wie Feuer, und wimmernd humpelte sie zum Fenster hinüber, wo sie auf einen der seidenbespannten Stühle sank. «Mademoiselle Christine, geht es Euch nicht gut?», fragte Sébastien, und plötzlich war auch Alexandre de Mergoult wieder da, tätschelte ihre Hand und fragte: «Soll ich Euch ein Glas Eiswasser holen?»
    Lieber ein Eisbad für die Füße, dachte Cristino mit schmerzverzerrtem Gesicht, und laut sagte sie: «Nein… entschuldigt… ich brauche nur eine kleine Pause…»
    «Bleibt hier sitzen, ich bringe Euch etwas», meinte Mergoult großzügig, als habe sie sein Angebot nicht soeben abgelehnt, und Trévigny zog einen weiteren Stuhl heran, ließ sich an ihrer Seite nieder und tätschelte ihr seinerseits die Hand. Draußen war es jetzt völlig dunkel. «Eine kleine Unpässlichkeit», meinte er mit dem beruhigenden Tonfall eines Doctor Medicus. «Sicher aufgrund der Hitze.»
    «J…ja, sicher.» Cristino schielte nach unten. Dort, wo ihre linke Ferse in den Schuhen verschwand, hatte sich der Seidenstrumpf rötlich verfärbt. «Vie…vielleicht sehe ich ja Gespenster, aber ich dachte gerade, ich hätte Senher de Couvencour gesehen.»
    «Couvencour? Hier?» Trévigny sah sich misstrauisch um.
    «Ihr müsst Euch getäuscht haben. Er wäre mir ganz bestimmt aufgefallen.»
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    Cristino ließ suchend ihren Blick durch den Saal schweifen.
    «Dann war es wohl ein Irrtum», sagte sie enttäuscht.
    «Ein wunderschönes Medaillon tragt Ihr da», stellte Sébastien fest. «Ist es neu?»
    Sie nickte und wurde rot. «Ich habe es vorgestern auf dem Markt gekauft. Es ist… ich weiß auch nicht, habt Ihr manchmal auch das Gefühl, dass ein Gegenstand eine Geschichte erzählt? Bei diesem Medaillon ist es so. Als ob es – ein Geheimnis in sich birgt. Man hat mir gesagt, es sei aus einem Nachlass.» Sie lachte auf. «Ich frage mich wirklich, wer die frühere Besitzerin war.»
    «Aus einem Nachlass?» Trévigny runzelte die Stirn. «Das ist ja seltsam.»
    «Wieso?»
    «Vom Stil her ist das doch nicht das Amulett einer alten Dame!
    Es passt zu einem jungen Mädchen, wie Ihr es seid. Und es sieht relativ neu aus! Wie kann es da aus einem Nachlass sein?»
    Cristino starrte das Medaillon an, als sehe sie es zum ersten Mal.
    «Vielleicht steckt ja eine schreckliche Tragödie dahinter», flüsterte sie. «Vielleicht hatte es ja einer als Geschenk für seine Tochter oder seine Enkeltochter gekauft, und dann starb sie im Kindbett und ihm brach das Herz und er folgte ihr ins Grab.»
    Der Comte sah sie einen Moment lang entgeistert an, dann prustete er los. «Ihr habt eine blühende Fantasie, Christine , aber wirklich», lachte er. Alexandre de Mergoult kam mit dem Eiswasser. « Voilà », sagte er und überreichte ihr das Glas mit einer leichten Verbeugung. Sie nahm es dankend entgegen und nippte daran. «Und? Ist Euch wieder besser?»
    «D…danke, es geht.» Es ging ihr tatsächlich gut, bis auf die höllischen Schmerzen in ihren Füßen.
    «Ihr solltet Euch noch ein wenig erholen», meinte Mergoult freundlich, nickte ihr zu und strebte zu ihrem

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