Die Kinder des Saturn
von der Indefatigable und brauche eine Knochenmarksanierung.«
Der sympathisch wirkende Operateur, ein Zwerg, winkt mich zu sich herüber, fährt seinen Stuhl hoch und klappt den Buckel auf, so dass eine eindrucksvolle Sammlung chirurgischer Instrumente zu sehen ist. »Das können wir machen, gnädige Frau.« Er wirkt höflich, aber gelangweilt. »Sollen wir irgendetwas Bestimmtes durchchecken?«
»Ja.« Ich nehme auf dem Untersuchungsstuhl Platz. »Ich habe ausgerechnet die Koje über dem Reaktor erwischt. Vielleicht möchten Sie sicherheitshalber eine Bleischürze anlegen.«
Nun ja, dieser Fehler hat mich einiges gekostet, denke ich kleinlaut, als ich die Werkstatt verlasse und rasch zum Hotel zurückkehre.
Immer noch habe ich an dem zu knabbern, was auf der Indefatigable mit meinem Körper passiert ist.
Dr. Meaney braucht fast zwei Tage (Erdentage, nicht Kallisto-Tage, wie ich gleich hinzufügen muss), um mein Betriebssystem zu überholen und das Knochenmark zu sanieren. Die Rechnung ist so hoch, dass sie mir das Wasser in die Augen treibt, und das nicht nur deshalb, weil er meine beschädigten Körperteile als Giftmüll entsorgen muss. »Wenn man das nächste Mal versucht, Ihnen eine solche Kabine anzudrehen, würde ich Ihnen raten, lieber auf den Flug zu verzichten«, schimpft er mit mir. »Wären Sie zum Saturn geflogen, hätten Sie bei dieser Strahlendosis die Ankunft nicht mehr erlebt.«
»Wie bitte?« Ich starre ihn an.
»Ja, Sie wären tot gewesen, entseelt, nicht mehr zu reparieren, nicht mehr wiederzubeleben. Hören Sie zu.« Er führt mich zu einer dreifach verglasten Fensterscheibe. »Sehen Sie den Turm da drüben?« Mehrere Kilometer entfernt zeichnet er sich vor dem Horizont ab. »Nehmen wir mal an, irgendjemand würde von da oben aus eine Viertelmegatonne schwere Atombombe zünden. Nehmen wir weiter an, Sie wären vor der Hitze und der Explosion geschützt, aber nicht vor der Strahlung. Und jetzt stellen Sie sich vor, jemand würde Ihnen das ein ganzes Standardjahr lang einmal pro Woche antun. Das entspricht in etwa der Strahlung, der Sie ausgesetzt waren. Verstehen Sie jetzt? Dass Sie sich auf so etwas eingelassen haben, war wahrhaftig keine gute Idee.«
»Hm.« Ich schlucke aus einem Reflex heraus. Zarte Eissplitter lösen sich hinten in meiner Kehle und gleiten in den Verdauungstrakt hinunter. »Wirklich wahr?«
»Wirklich wahr!« Er sieht verärgert aus. »Sie hätten sich zumindest im Salon aufhalten können – dazu ist er gedacht! Wenn Sie’s zukünftig unterlassen, oberhalb irgendeines Atomreaktors zu übernachten, können Sie wahrscheinlich zwei weitere Jahrzehnte überstehen, ehe Sie eine neuerliche Überholung Ihres Systems wie diese hier benötigen. Sie sind mit einer ausgezeichneten Technologie samt einigen wunderbaren Extras ausgestattet. Diese
Technologie ist sehr widerstandsfähig, aber auch die könnten Sie kaputt kriegen, wenn Sie sich weiterhin unbedingt so verhalten wollen, als wären Sie unverletzlich.«
»Hm.« Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir diese Sache schriftlich zu bestätigen? Und notariell beglaubigen zu lassen? Selbstverständlich zahle ich Ihnen ein Honorar dafür. Ich denke nämlich gerade darüber nach, ob ich die Linie verklagen soll.«
Er summt. Ich brauche einen Moment, bis ich merke, dass dieses Summen ein Lachen ist. »Gehört alles zum Service!«
Und so reibe ich mir kleinlaut das Gesicht, als ich über den Platz zurück zum Hotel trotte und darüber sinniere, dass ich es in kaum zwei Tagen geschafft habe, den Großteil meiner verbliebenen Geldmittel auszugeben, ohne irgendetwas wirklich Nützliches unternommen zu haben.
Notgedrungen kehre ich ins Nerrivik Paris zurück, das genauso trübselig und leicht heruntergekommen wirkt, wie ich mich fühle. Als ich die Luftschleuse betrete, hüllt mich sofort dichter Dampfnebel aus Kondenswasser ein. Das Wasser sickert an meiner Kleidung herunter und bildet winzige Hagelkörner, die ringsum auf den Fußboden prasseln. Mir war gar nicht klar gewesen, wie kalt es draußen ist. »Den Zimmerschlüssel, bitte«, sage ich zum gelangweilten Empfangschef und klopfe mit den Fingernägeln auf den polierten Schalter aus Granit. »Sind Nachrichten für mich eingegangen?«
»Sie werden Sie sicher in Ihrer Warteschlange finden, Madame.« Er reagiert genauso kühl und höflich wie bei meiner ersten Ankunft im Hotel. »Hier ist Ihr Schlüssel. Wenn wir sonst noch etwas zu einem
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