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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Dämpfer versetzen, deshalb erlaube ich mir eine leicht nachlässige Körperhaltung, während ich mich im Terminal des Raumhafens umsehe.
    Die Bergarbeitersiedlung Nerrivik ist ein Provinznest, und das ist dem Ort auch anzumerken. Die Pink Goo -Polizei taucht hier so gut wie nie auf – trotz der verdächtigen Polymerstreifen, die unten in den tiefen Meeren gedeihen. Man kann hier kaum von einer Atmosphäre sprechen, und die Tagestemperatur ist so niedrig, dass man sich nicht einmal die Mühe macht, die Tanks mit flüssigem Stickstoff mit einer Wärmedämmung zu versehen. Die öffentlichen Plätze sind nur schwach beleuchtet, denn die Augen sind hier auf ein Tageslicht eingestellt, das kaum heller ist als eine Vollmondnacht auf der Erde. Die Gebäude sind dunkel und haben keine Fenster. Unter der Vielfalt der Körpermodelle sind menschenähnliche wie meines in der Minderheit. Solche wie ich zittern unter den dicken Mänteln und Kleidern vor Kälte, denn die Sonne ist über Kallisto zu einem winzigen Punkt zusammengeschrumpft und hängt an einem schwarzen Himmel, den ein anderer Himmelskörper beherrscht: Jupiter. Während ich die Ankunftshalle verlasse, sehe ich kurz zu der gewaltigen orangefarbenen
Kugel hinauf, muss den Blick aber schnell wieder abwenden, denn für meine Begriffe ist sie einfach zu groß. Beängstigend groß, größer als der Vollmond von der Erde aus gesehen. Außerdem wirkt sie in meinen Augen irgendwie überreif und krank, so wie wucherndes Pink Goo im Nekrosestadium. Kopfschüttelnd halte ich nach einem Informationsschalter Ausschau. »Welche Hotels sind hier mit Kliniken ausgestattet?«, erkundige ich mich.
    »Hotels mit Kliniken?« Der Schalter kichert einige Sekunden, während er meine Anfrage verdaut. »Das hier ist Nerrivik!«
    »Jetzt hören Sie mal zu!« Ich stoße das Ding mit meinem dreifach behandschuhten Zeigefinger an. »Ich komme gerade von der Indefatigable , bin äußerst gereizt und brauche sofort eine Sanierung meines Knochenmarks. Ein heißes Bad würde auch nicht schaden. Also, was können Sie mir anbieten?«
    »Vielleicht kommt das Nerrivik Paris infrage«, schlägt der Schalter kurz darauf vor. »Hat zwar keine hauseigene Klinik, aber gleich daneben liegt die Reparaturwerkstatt Big Blue, die kann Ihnen möglicherweise weiterhelfen. Reicht Ihnen das aus?«
    »Kann sein.« Ich versuche mit den Fingern zu schnippen und merke zu meinem Ärger, dass ich sie wegen der Handschuhe und des Mangels an Atmosphäre nicht hören kann. Hier verkehrt man sowieso nur mittels Elektrosprache. Zum Glück habe ich mein Sende- und Empfangsgerät aufrüsten lassen, als mir die Ausstattung für kaltes Wetter installiert wurde. »Bitte sagen Sie mir, wie ich dorthinkomme.«
    »Hm, wenn es unbedingt sein muss …« Mürrisch gibt der Schalter mir eine Wegbeschreibung. Gleich darauf winke ich eine Spinne herbei – meine Füße beginnen trotz der gefütterten Stiefel bereits zu schmerzen – und sage ihr, wohin sie mich fahren soll. Fünf Minuten später humple ich ins Foyer eines vertraut wirkenden Hotels.
    »Hallo, Madame. Was kann ich für Sie tun?« Der sprechende Kopf auf dem Empfangstresen ist der Inbegriff höflicher Formalität. Die Erinnerungen meiner Schwestern geben nichts über ihn preis, und er scheint mich auch nicht wiederzuerkennen.

    »Ich brauche ein Zimmer. Irgendwo an dieser Straße soll es auch eine Reparaturwerkstatt geben, stimmt das?« Nach weiteren zehn Minuten wird mir mein Gepäck aufs Zimmer gebracht, das sogar noch teurer ist als das im Paris Cinnabar. Dabei ist das hier doch eine schäbige Bergarbeiterstadt, die längst nicht so hohe Wartungskosten hat wie eine Stadt auf Rädern. Der ortsansässige Paris verbeugt sich mit einem Kratzfuß. »Ich komme wieder, sobald ich einige wichtige Reparaturen habe vornehmen lassen«, teile ich ihm mit. Kurz bin ich versucht, ihm meinen wirklichen Namen zu nennen und ihm vorzuschlagen, seinen Bruder auf Merkur um ein Update zu bitten, doch im letzten Moment entscheide ich mich dagegen. Ich weiß nicht, wie es inzwischen mit dem Insolvenzverfahren steht, und das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, sind ein Kopfgeldjäger oder ein Prozess.
    Die Reparaturwerkstatt Big Blue, angesiedelt im obersten Stockwerk eines Bürogebäudes, entpuppt sich als ebenso winziges wie windiges Unternehmen, in dem dubiose Ware ausgeschlachtet oder deren Äußeres verändert wird. An der Eingangstür schwenke ich meinen Kreditchip. »Hi! Ich komme gerade

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