Die Kinder des Saturn
erwidert er so nachsichtig, als würde er mit einer Arbeitssklavin reden, die nicht ganz richtig im Kopf ist. »Brauchst du irgendetwas? Oder kann ich jetzt gehen?«
»Wo auf Kallisto?«, hake ich nach, auch wenn mir selbst nicht klar ist, wozu ich das wissen muss.
»Wir sind in ihrem Palast. Frag mich nicht, wo das ist, ich arbeite hier nur.« Gleich darauf dreht er sich um und will gehen.
»Nicht so schnell.« Ich lege ihm eine Handfläche auf den Kopf. »Eigentlich hatte ich ein Zimmer im Nerrivik Paris genommen. Beauftrage jemanden, mich dort abzumelden und mein Gepäck hierherzubringen. Falls das nicht klappt, lass den Inhalt meines Gepäcks scannen und auf einem Drucker kopieren, ja?«
»Ich denk ja nicht im Traum dran, Gliederpuppe.« Er funkelt mich an, brummt ärgerlich und zischt ab. Verwirrt schüttle ich den Kopf. Er hat unglaubliche Ähnlichkeit mit Bill und Ben. Was mag mit den beiden passiert sein, nachdem wir uns am Marshafen getrennt haben? Jeeves hatte keine Ahnung, dass …
Mir läuft ein Schauer über den Rücken, doch dann fällt mir ein, dass es jetzt keine Rolle mehr spielt.
Später, als ich allein in meinem eiskalten Bett liege, träume ich wieder, ich sei Juliette. Es ist der erste Flashback dieser Art seit meiner Ankunft auf Kallisto, sogar der erste seit Mars. In diesem Traum fühle ich mich sehr allein und habe große Angst, denn ich weiß, dass ich eigentlich nicht im Bett liegen dürfte. Vielmehr müsste ich mich bei Jeeves in dem Hauptquartier befinden, das
in einer Forschungskapsel mit Mikroschwerkraft untergebracht ist, und meinen nächsten Einsatz mit ihm durchsprechen. Geben Sie mir Ihren Seelenchip, hat er gesagt. Und ich hab’s getan, wenn auch nicht ohne Vorbehalte. Und das Nächste, an das ich mich erinnern kann …
Hä?
Ich liege in einem Bett, stimmt. Und es ist sehr dunkel. Versuch die Augen aufzumachen, Schwachkopf!, sage ich mir. Doch es passiert nichts, und ich gerate in Panik, versuche eine Hand zu heben …
»Juliette? Versuchen Sie lieber nicht, sich zu bewegen. Bleiben Sie still liegen, sonst werden Sie sich verletzen.«
Die Stimme kenne ich. Sie gehört Ferdinand Dix, einem der Künstler aus den bestenfalls halblegalen Werkstätten, mit denen die Jeeves-Brüder zusammenarbeiten. Anscheinend wird mein Betriebssystem gerade überholt. Ich gebe mir Mühe, mich zu entspannen, bin aber immer noch beunruhigt. Wie bin ich hier gelandet?
»Okay, es war nur eine frühere Tiefenwahrnehmung, die ihr zu schaffen gemacht hat. Ihr Verhaltensmonitor hat ihr gesagt, sie müsse sich ausruhen oder irgendwas Ähnliches, und dann haben sich all ihre Funktionen aus dem System abgemeldet. Ich hol sie da jetzt raus und fahre sie hoch.« Ferd spricht mit einer anderen Person, wie seltsam …
Mein Blickfeld hellt sich langsam auf und füllt sich von den Rändern her aus, als wären meine Augen gerade erst wieder zugeschaltet worden. Hä? Was ist mit meiner Haut? Mir ist kalt. Als ich mit einer Fingerspitze zucke, spüre ich darunter etwas Weiches, Nachgiebiges.
»Willkommen zurück an Bord, Juliette.« Kopf an Kopf beugen sich links und rechts von mir zwei Gestalten über meinen Körper. Jeeves und Ferd. »Wie fühlen Sie sich?« Dem Jeeves-Bruder ist eindeutig unbehaglich zumute, so unbehaglich, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen. Ich entschließe mich dazu, nach Möglichkeit zu bluffen, obwohl ich genau weiß, dass ich diesen Auftrag völlig vergeigt habe. Das sagt mir schon das eiskalte Gefühl in meinem Bauch.
»Ich fühl mich gut, Chef. Was ist passiert? Das Letzte, an das ich mich erinnere …« Als ich einen Arm anhebe und mich aufzusetzen versuche, merke ich, dass ich ihn hinsichtlich meines Befindens glatt angelogen habe. In Wirklichkeit fühle ich mich entsetzlich schwach, auch wenn die Schwerkraft hier drinnen gering ist. Und keines meiner Upgrades funktioniert. Was, zum Teufel … Ich verfüge nur noch über die Grundfunktionen, mit denen ich bei meiner Herstellung ausgestattet wurde! Genauso gut könnte ich nackt sein. »Was geht hier vor?«
Jeeves räuspert sich. »Ob Sie’s glauben oder nicht, Sie sind gestorben.«
»Was?« Ich strecke meine rechte Hand hoch und starre sie an. Ja, das ist meine Hand – oder eine so ähnliche, dass ich nichts Seltsames an ihr entdecken kann. »Das verstehe ich nicht.«
»Setzen Sie sich auf.«
Ich beginne damit, als mir plötzlich auffällt, von welcher Unterlage ich mich aufsetze. Ich liege in einem nach meiner
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